Hans-Joachim Heyer

117-138

Stein der Weisen

Ich will nur der Erkenntnis leben,
Um meine Ganzheit anzustreben.

Es fehlt mir jede Konvention,
Um Teil zu sein von der Nation.

Wer lebt in der gespaltnen Welt,
Gewöhnlich in zwei Teile fällt.

Ich bin ein ungespaltner Stein;
Wie könnt ich da ein Werkzeug sein?

Denn dieses ist geschliffen schon,
von dem Begriff Information.


Der Jäger

Der Jäger geht allein
Oder mit Freunden
Bar allen Ballasts
Leichtfüßig mit langem
Atem geduldig
Gewohnter Beute nach
Selbst das Gewohnte durchbrechend

So kennt er Unsichtbares
Selbst vertraut
Und das notwendige Schicksal
Will er erfüllen vollkommen
Mit Helden Mut

Nach des Lebens Mitte
Lehnt er sich zurück
Friedlich im Heim
Bei Frau und Kindern,
Zu singen die Weisen
Der geschauten Welten
Zur Ehre der Götter

Der Städter bleibt
Geduckt am gewohnten Ort
Gemäß der Gesetze
Gezähmt, berechnet wie’s Werkzeug,
Berechnet Besitz
Und in der bangen Seele
Spuken fremde Geister
Denn er sieht sich,
Das Gewohnte, nicht mehr

Nur Sensationen
Dringen noch ans Auge
Als bestünde die Welt nur
Aus Teilen im Kampfe
Er kämpft sich voran
Um Ränge mit Listen
Schamvoll verbergend
Hinter den Masken
Er kennt sich
Und seine Brüder nicht mehr

So ist er allein
In der großen Stadt
Ohne Freunde
Und fremd sogar
Frau und Kindern
Lebendiger Toter
Ausgehaucht
Hat er seinen Atem
Und hinein in die Stadt
Der Städter

Und die Stadt
Schlug die Jäger
Aber der Jäger kommt wieder


Gesetz der Macht

Es ist die heilige
Pflicht der Mächtigen,
Zu verbergen die Wahrheit
Unter einem Berg aus Nichtigkeiten.

Und es ist ihnen gesetzt:

Wen sie nicht führen können,
Den müssen sie bestechen;

Wen sie nicht bestechen können,
Den müssen sie vernichten;

Wen sie nicht vernichten können,
Den müssen sie verachten;

Wen sie nicht verachten können,
Den müssen sie einweihen;

Wen sie nicht einweihen können,
Dem müssen sie dienen.

Wer die Macht hat,
Ist bewußt und lebt in Ewigkeit.

Wer das Höhere in sich trägt,
Darf nicht nach niederem
Gesetz gerichtet werden.
So sei es:
Jedem das Seine!


Der Egomat

„Das Weltall ist eine Maschine,
Und du bist ein Rädchen darin.
Du treibst selbst und wirst auch getrieben;
Das ist von dem Leben der Sinn!“

Das sagten die Lehrer im Ernste;
Mit all ihrer Autorität.
Zu zweifeln war mir hier das Fernste;
Es galt nur die Kausalität.

Erst als ich mich nicht mehr im Kreis
Zu drehen vermochte exakt,
Erhielt ich vom Chef den Verweis
Und wurd an den Ohren gepackt:

Verworfen vom Bauherrn nach draußen
– Ich konnte nicht anders als lachen –
Da sah ich das Monstrum von draußen;
Es machte nur sinnlose Sachen!

Das ganze kausale System
Nur scheinbar im Wandel verharrt es,
Erwies sich von außen gesehn
Als ewig bewegtes Erstarrtes!

Ich war nun den Kreislauf entrissen;
Bekam so mein Schicksal zurück.
Nie werd ich die Scheinwelt mehr missen;
Die Geisteswelt füllt jetzt den Blick.

Maschinen sind Werkzeug des Geistes!
Das sag ich den Schwindlern der Welt.
Ihr habt euch Verführung erdreistet,
Die Sinne der Menschen verstellt!

Auch ich war getappt in die Falle:
Den Dichter ermordet die Leistung.
Sie tötet die Freiheit für alle!
Drum dichte ich ohne Beweis nun.

Ich kenn nun den Sinn der Maschine:
Bewußtsein der Menschen erzeugt sie!
Das gar nicht so schlecht mir erschiene;
Beraubte uns nicht dieser Zeitdieb.

Bewußtsein erschafft die verwaltete Welt;
Verschiebt die Probleme, anstatt sie zu lösen.
Es setzt an die Stelle des Geistes das Geld.
So werd ich ihm heimlich nun Zweifel einflößen:

Denn alles der Welt, was nur einmalig ist,
Das nicht in das Schubfach des Wißbaren fällt.
Da aber das Große stets einmalig ist,
Verflacht dich dein Ego, bist Sklave dann schnell.


Ameisen

Stumm ist die Ameise
In ihrem Staate
Was sollte sie auch erzählen
Im Herzen trägt sie
Den Plan ihrer Welt vollkommen

Fühlt jeden Mangel
Gerührt davon
Befleißigt sie sich
Wer sollte befehlen?
Frei ist sie

Wie der Mensch
Der fand den Sinn
Auch er braucht die Ketten nicht

Erfüllt Gottes Plan
Lebt die einmalige
Melodie des Planeten


Mutter Erde

Schweine durchpflügen im Dunkel den Boden,
Suchend die Wurzeln als nährende Früchte,
Täglich schwer schaffend in steinigen Gründen,
Staubige Wüsten vererbend den Kindern.

Lustig die Vögel des Himmels spielen,
Reichlich beschenkt mit Früchten und Samen
Grünend bedeckter und üppiger Erde.
Unsterblich singen sie Lieder im Glück.


Gottes Plan

Als die Sinne ruhten bei Nacht,
Sprach zu mir ein Geist zu Geist.
Ich war in Trauer der Zukunft wegen,
Und es war Gott selbst, der weinte.

Soviele Erden ich schuf –
Immer und immer wieder gewann das Starke,
Und das Schöne, Zarte, Geliebte verschwand.
Die Natur baute Panzer an Panzer.

Kunstvoll zärtliche Blüten wichen
Feigenartigen Schilden
Und im Geist wars nicht anders;
Auch er ward bedeckt mehr und mehr.

Wie mach ichs, daß Geist nicht Geist
Mehr bekämpfe und zum Werkzeug sich mache?
Wie bringe ich mich, den Geist, nur voran?
Weinte Gott leise in meiner Brust.

Auch kämpfender Geist baut Panzer
Aus Stahl und festen Gedanken,
Bereitet das Ende der Schöpfung. Was
Menschen Fortschritt heut nennen, ist Tod.

Ich ruf euch, Dichter und Denker!
Ich rufe meine geistlichen Kinder.
Euch sag ich meinen Plan: Rettet
Die Erde, daß ich sie nicht richte!

Brecht auf die Mauern des Geistes!
Werdet wie ich: Sucht euren Gott wahrhaftig!
Entdeckt eure gelernten Götter,
Verwerft sie und erkennet mich!

Es ist mein großer Plan,
Daß ich selbst mich erkenne
Im Kinde, das über sich und mich
Hinausgehe und in meinem Geist wachse.