Der Philologe
„Unsterblich!“ nennt der Kluge
Das Werk des großen Meisters,
Und schon hat er’s getötet,
Wenn er erbärmlich lebt!
Was heilt des Dichters
Gebrochene Flügel?
Neue Taten sind’s,
Ganz unpersönlich.
Sie öffnen neue Räume,
Zerstören Systeme,
Die Welt ist
Ein Chaos, das Ordnung sucht.
Jeder Raum, den
Du betrittst,
Sollte ein Gedicht dir schenken,
Und das Gedicht ist eine Tür.
Die Freiheit ist sprachlos
Ohne Bilder.
Es gibt sie nicht
Schwarz auf Weiß.
Schaffe frei das Begrenzte!
Sterbliche Menschen gezüchtet
Haben die Fürsten der Welt sich,
Menschen, die den Tod wissen.
Brauchbare Werkzeuge geschmiedet
Haben die Fürsten der Welt sich,
Menschen, gefallen aus Gottes Hand.
Freiheit im Staube, Licht im Dunkel geborgt,
Haben die Fürsten der Welt sich,
Von gefangenen, unwissenden Menschen.
Des Systems Schöpfer wissen
Um Babel und wieder wähnen sie sich
Klüger als Gott und verstecken ihre
Geißfüße.
Sieh weg von dir und den
Allzugebildeten, den Nußschalen
Auf des Meeres Wellengekräusel:
Leere Hüllen, hin- und hergetrieben
Von fremden Winden,
Bald versinkend,
Bald wieder auftauchend
Im ewigen Kreislauf;
Keiner weiß wie.
Verlaß‘ dich nicht
Auf ihre starren Konstruktionen,
Mißtraue den trügenden Mustern.
Suchst du das Wasser, das wahre,
Statt seiner Begrenzung?
Erkenne die Klugheit der Vielen.
Die Sprache zum Beispiel.
Enthüllt sie doch Wahres,
Wie Träume nie lügen.
Das Zauberbrett vernichtet das Eigene:
Am Glas bleibt nur die Kraft aus der
Tiefe des Volks.
Diese Kraft nimm auf,
verstehe und lenke sie,
wenn du kannst, Zauberer!
Nicht Begreifen macht Angst.
Der Vollkommene fürchtet
Selbst den Tod nicht:
Wahre Erkenntnis tötet den Tod;
Denn Sterben ist pure Angst.
Er stand auf dem Berge in schwindelnder Höh,
Sah unter sich liegen die hektische Welt.
Da packte ihn eine gewaltige Böh,
Und riß den erschrockenen Knaben vom Fels.
Er fiel in den Abgrund, ganz schwerelos, da
Vernahm er die Stimme des Vaters ganz klar:
„Mein Junge, erwach doch, es ist nur ein Traum!“
Er glaubte ihm nicht, und er schrie in den Raum:
„Ich falle, ich falle, wer fängt mich nur auf?
Wie lenke ich um nur des Schicksales Lauf?
Ich will nicht erwachen, das wäre nur Flucht;
Will wissen, wohin führt die geistige Zucht!
Das Böse, wie Gutes, erbaut meinen Geist,
Die Welt auch der Träume die Wahrheit erweist!
So laß ich mich fallen, vertrauend dem Traum;
Dann schützt mich der Schöpfer des Lebenden Baums!“
So fiel er, der Knab, in die Tiefe hinein,
Hinab auf den Grund des gewaltigen Schachts.
Dort fand er den Ort, wo sein Herz war ganz rein!
Erfüllt mit dem Steine der Weisen erwacht
Er nun und versteht, was geschrieben harrt
In dunkelsten Büchern prophetischer Art.
Verborgen ist hier das Geheimnis des Lebens!
Die Offenheit ist nun der Sinn seines Strebens.
Der Klimmzug ist ein schweres Ding;
Der Klimmer hing an einem Ring:
Er mühte sich mit aller Kraft,
Doch in den Muskeln war kein Saft!
Schlaff hing er an dem runden Eisen.
Der, welcher wollte Kraft beweisen.
Bald darauf ward nach dieser Schmach
Der Geist des Sportlers in ihm wach:
Er fraß nun Eiweis bis zum Platzen
Und tat auch eifrig Nudeln schmatzen.
Er ging auch in die Kraftsalons,
Wo Muskeln werden zu Ballons.
Ein halbes Jahr in dieser Kur
Bewirkte Wunder der Figur:
Mit aufgepumpten Kraftpaketen
Tat er erneut zum Ring antreten:
Er griff den Ring und sah die Mücke nicht:
Sie stach den Arm: die Luft entwich…
Und die Moral von der Geschicht:
Vertraue keiner Mücke nicht!
Denn kleine Kräfte sind’s bisweilen,
Die große Energien verteilen.
Such‘ hinter schmächtig scheinenden Gestalten
Der unsichtbaren Lenker Walten!