(vorher evtl Konstruktivismus1.html lesen)
- Einleitung
Ich möchte in dieser Arbeit meinen derzeitigen Kenntnisstand über die Theorie des Gehirns – besser: Bewußtseins – darlegen. Dazu benutze ich jene Literatur, die mir bei meiner Erarbeitung meiner Überzeugung in letzter Zeit die größte Hilfe war: Gerhard Roths Beiträge in ‚Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus‘ 1 und Berger/Luckmanns Werk ‚Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit.‘ 2 Diese Theorien prüfte ich an meiner eigenen Vernunft und Erfahrung, d.h. an meiner eigenen Philosophie. 3
Da ich häufig zitiere, gebe ich direkt hinter den Zitaten die Seitenzahlen in Originalwerk (in Klammern) an. Beziehe ich mich in späteren Kapiteln auf ein besonderes, schon zitiertes Zitat, gebe ich nur die jeweilige Zahl an.
- Zusammenfassung Gerhard Roths Theorie 1
Gerhard Roth beginnt seine Untersuchungen mit der Schilderung des Welterlebens aus Sicht des ‚kritischen Realismus‘:
„Die alltägliche sinnliche Erfahrung erweckt in uns den Eindruck, daß unser Wahrnehmungssystem in direktem Kontakt mit der Welt steht: die visuelle Welt ist uns im wahrsten Sinn des Wortes unmittelbar augenscheinlich gegeben, die Laute dringen unvermittelt an unser Ohr, und wir betasten und begreifen die Gegenstände in unserer Reichweite unmittelbar als Gegenstände. Wir empfinden zwischen der sinnlich erfahrbaren Welt und uns nichts Vermittelndes, wir müssen nichts von ihr indirekt erschließen und erahnen. Die unmittelbare Gegebenheit der sinnlichen Welt ist sprichwörtlich, und sie wird von den meisten Philosophen und Wahrnehmungstheoretikern in charakteristischem ontologischen Gegensatz zur Welt der Meinungen, Hypothesen und Theorien über sinnlich Erfahrenes gesehen. (Seite 229)
… All dies unterstützt stark den erkenntnistheoretischen Standpunkt des kritischen Realismus: unsere Sinnesorgane bilden die Welt ab, so gut sie eben können, d.h. im Rahmen des physikalisch und physiologisch Möglichen und evolutiv Bewährten. Sie sind die Tore des Gehirns zur Welt; durch sie strömt die jeweils spezifisch benötigte Information ins Gehirn ein und wird von diesem zur adäquaten Wahrnehmung, z.T. unter Zuhilfenahme angeborener und erworbener Gestaltungsmuster, zusammengefügt. …“ (231)
„Eine ganz andere Perspektive als die soeben aufgezeigte tut sich auf, wenn man das Wahrnehmungsproblem nicht vom Standpunkt der Sinnesorgane, sondern vom Standpunkt des Gehirns sieht. 4 Die Sinnesorgane … werden zwar … von Umweltreizen aktiviert; … die neuronale Erregung jedoch, die aufgrund der sensorischen Reizung in den Sinnesorganen entsteht und zum Gehirn weitergeleitet wird, ist als solche unspezifisch. Man kann einer Nervenimpulssalve … nicht ansehen, ob sie z.B. durch visuelle, akustische, geruchliche Erregung hervorgebracht wurde … Die spezifische Modalität der Sinnesorgane, auf der unsere Sinneswelt zu beruhen scheint, ist ‚hinter‘ den Sinnesorganen offenbar verschwunden. Die Sinnesorgane übersetzen die ungeheure Vielfalt der Welt in die ‚Einheitssprache‘ der bioelektrischen Ereignisse (Nervenpotentiale), denn nur diese Sprache kann das Gehirn verstehen. … Man kann leicht einsehen, daß diese Übersetzung in die neuronale ‚Einheitssprache‘ etwas für die Funktion von Nervensystemen Unabdingbares ist, denn wie könnten sonst im Dienste der sensorischen Verhaltenssteuerung Auge und Muskeln, aber auch Auge und Ohr, Gedächtnis und Geruch miteinander kommunizieren…“ (232 f)
Bei diesem Übersetzungsprozeß aber geht das ‚Original‘ verloren. Die ‚Sprache‘ des Nervensystems selbst ist bedeutungsneutral (oder wie H. von Foerster drastisch zu sagen pflegt: “klick‘, ‚klick‘ ist das Vokabular der Nervensprache‘). Weil aber im Gehirn der signalverarbeitende und der bedeutungserzeugende Teil eins sind, können die Signale nur das bedeuten, was entsprechende Gehirnteile ihnen an Bedeutung zuweisen: ‚Wahrnehmung ist Interpretation, ist Bedeutungszuweisung’“. 5 (14)
„Bei der Bedeutungszuweisung operiert das Gehirn auf der Grundlage früherer interner Erfahrung und stammesgeschichtlicher Festlegungen: erst dann wird ein Wahrnehmungsinhalt bewußt. Das heißt aber, bewußt wird nur das, was bereits gestaltet und geprägt ist. Aufgrund dieser Arbeitsweise ist das Gehirn gar nicht in der Lage, Wirklichkeit als solche abzubilden oder zu repräsentieren: Es gibt kein Urbild. Das Gehirn ‚… kann nur (für sich und in sich selbst) präsentieren, es kann nur konstruieren‘. – Da das Gehirn keinen direkten Zugang zur Welt hat, ist es als Teil des Nervensystems kognitiv und semantisch abgeschlossen. Es ist … selbstreferentiell und selbstexplikativ. Die semantische Selbstreferentialität des Gehirns hat ihr Substrat in der funktionalen Selbstreferentialität der neuronalen Netzwerke (z. B. des visuellen Systems), wo jede Komponente die spezifischen Eigenschaften der anderen Komponenten definiert. … ‚Alle komplexeren Wahrnehmungsleistungen beruhen auf solchen kognitiven Selbstdifferenzierungsprozessen, die lernabhängig sind‘.
… Alle Bewertungs- und Deutungskriterien muß das Gehirn aus sich selbst entwickeln. Dabei erweist sich in evolutionstheoretischer Sicht die Unspezifität der Nervenimpulse als Vorteil; denn ‚… ihre freie Deutbarkeit und Übersetzbarkeit macht überhaupt erst eine Kommunikation der Sinnesempfindungen und eine Überführung von Wahrnehmung in Aktion möglich‘. Ein umweltoffenes Gehirn dagegen wäre als Reflexsystem fremdgesteuert, heterogen und nie in der Lage, komplexe Umwelten zu bewältigen. Bei dieser Bewältigung, die einen hohen neuronalen Aufwand voraussetzt, spielen frühere sensomotorische Erfahrungen und damit verknüpfte Bewertungsprozesse eine entscheidende Rolle. Darum ist, wie Roth pointiert feststellt, unser Gedächtnis ‚unser wichtigstes Sinnesorgan‘.“ 5 (15/16)
„Erkenntnistheoretisch bedeutsam ist die von Roth u.a. getroffene Unterscheidung zwischen realem Gehirn und kognitiver Welt: ‚Der reale Organismus besitzt ein Gehirn, das eine kognitive Welt erzeugt, eine Wirklichkeit, die aus Welt, Körper und Subjekt besteht, und zwar in der Weise, daß dieses Subjekt sich diese Welt und diesen Körper zuordnet. Dieses kognitive Subjekt ist natürlich nicht der Schöpfer der kognitiven Welt, dieser Schöpfer ist das reale Gehirn, es ist vielmehr eine Art ‚Objekt‘ der Wahrnehmung, es erfährt und erleidet Wahrnehmung. Das reale Gehirn ist in der kognitiven Welt ebensowenig gegeben, wie die Realität selbst und der reale Organismus‘.
Schon Gestaltpsychologen … haben darauf hingewiesen, daß die kognitive Welt in sich abgeschlossen ist … Nur innerhalb der kognitiven Welt gibt es Innen und Außen, Raum und Zeit. Die kognitive Welt ist die räumliche und zeitliche Wirklichkeit des kognitiven Subjekts. Kognitive Raum-Zeit-Begriffe sind nicht auf die reale Welt anwendbar, die eine notwendige kognitive Idee, aber keine erfahrbare Wirklichkeit ist. Das reale Gehirn muß seine Existenz und seine Eigenschaften aufgrund innerer Erregungszustände erschließen: ‚Wir können Wahrnehmungen nicht selbst wahrnehmen, wir sind Wahrnehmungen. Wahrnehmung ist die Selbstbeschreibung des Gehirns‘.“ (15,16)
„Wir können … folgern, daß der Ort im Gehirn, an dem eine neuronale Erregung eintrifft und weiterverarbeitet wird, die Modalität der Sinnesempfindung (Sehen, Hören etc.), aber auch ihre Qualität (bestimmte Farbe, bestimmter Klang und Geschmack) bestimmt und daß die Impulsfrequenz meist nur die Intensität der Empfindung bestimmt.“ (233)
“ … alles, was an neuronalen Impulsen in den Hinterhauptskortex gelangt, ist ein Seheindruck, und was in bestimmten Regionen des Hinterhauptskortex verarbeitet wird, ist eine bestimmte Farbe, völlig unabhängig von der tatsächlichen Abkunft des Signals. Das Gehirn arbeitet also nach einem rigorosen topologischen Prinzip…“ (234)
All dies führt zu der merkwürdigen Feststellung, daß das Gehirn, anstatt weltoffen zu sein, ein kognitiv in sich abgeschlossenes System ist, das nach eigenentwickelten Kriterien neuronale Signale deutet und bewertet, von deren wahrer Herkunft und Bedeutung es nichts absolut Verläßliches weiß. Die für den gesunden Menschenverstand ungerechtfertigte Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit der Sinnesorgane erscheint damit auf die Spitze getrieben, denn die von uns erlebte sinnliche Welt ist demnach nur ein Konstrukt des Gehirns, wenn auch keineswegs ein willkürliches Konstrukt.“ (235)
„Die Gesamtheit unserer kognitiven Welt läßt sich in drei große Bereiche teilen: einen ersten Bereich, dem alle Dinge und Prozesse der sogenannten Umwelt angehören, die wir also als ‚Dingwelt‘ erfahren; einen zweiten Bereich, zu dem unser Körper und alle ihm verbundenen Erfahrungen gehören, die wir also ‚Körperwelt‘ nennen können; und einen dritten Bereich, in dem alle unsere unkörperlichen Zustände und Erlebnisse existieren, also Gefühle, Vorstellungen, Gedanken.“ (236)
„Das Gehirn erschafft also eine kognitive Umwelt und einen kognitiven Körper sozusagen per exclusionem: alles, was nicht Körper ist, ist Umwelt, und umgekehrt; oder: alles, was nicht ‚drinnen‘ ist, ist ‚draußen‘. Diese Grenze zwischen kognitivem Körper und kognitiver Umwelt innerhalb der kognitiven Gesamtwelt ist eine unmittelbare, denn die Vermittlung zwischen Welt und Gehirn durch die Sinnesorgane, die in der materiellen, ‚realen‘ Welt des Organismus existiert, existiert natürlich innerhalb der kognitiven Welt, der ‚Wirklichkeit‘ unseres Gehirns, nicht. Beide Bereiche werden vom Gehirn sozusagen direkt nebeneinandergestellt. Deshalb erleben wir die Dinge und Prozesse unserer Umwelt in der Tat als unmittelbar, denn die Bereiche der Dingwelt und der Körperwelt haben als vom Gehirn konstituierte denselben ontologischen (nämlich kognitiven) Status. So scheint es, als blickten wir durch unsere Augen direkt auf die Welt, insbesondere da wir ja unsere Augenhöhlen schattenhaft mitsehen. Wir haben nicht das Erlebnis, daß es zwischen uns und der Welt irgendeine vermittelnde Instanz gibt.
Es ist deshalb auch sehr irreführend, wenn von vielen Wahrnehmungstheoretikern gesagt wird, die von uns sinnlich erfahrene Welt sei in Wirklichkeit in unserem Kopf bzw. Gehirn. Diese Feststellung führt dann auch zu Spekulationen darüber, wie denn unsere Wahrnehmungen, die doch ‚da drinnen‘ entstehen, ’nach außen‘ kommen. Diese häufig gestellte Frage verkennt, daß das ‚draußen‘, das wir wahrnehmen, ein kognitives ‚draußen‘ ist, welches nicht mit dem ‚draußen‘ der normalen Welt, in der unser Organismus lebt, verwechselt werden darf. Das Gehirn erzeugt bei der Konstruktion der kognitiven Welt, wie oben dargestellt, zugleich ein ‚drinnen‘ und ‚draußen‘, die aufeinander bezogen sind. Abstrakt gesprochen werden von vielen Theoretikern zwei ontologisch völlig unterschiedliche Welten, die (im physikalisch weitesten Sinne) materielle, reale Welt des Organismus und die Kognitive, ‚wirkliche‘ Welt, miteinander in Beziehung gesetzt, die (wahrscheinlich) kausal, aber nicht räumlich verknüpft sind. Das Gehirn, das mir zugänglich ist, … existiert ja innerhalb meines kognitiven Raumes und ist natürlich nicht mit dem realen Gehirn identisch, das den kognitiven Raum erst konstituiert. Was ich, auf dem Operationstisch liegend, auf dem Monitor oder in einem Spiegel dargestellt sehe, halte ich natürlich in diesem Augenblick für das offengelegte Gehirn, das ‚das alles‘, was ich erlebe, erzeugt. Wäre dies aber so, dann hätte ich eine paradoxe Situation vor mir: ich könnte zugleich in mir und außer mir sein. Oder anders ausgedrückt: mein Gehirn könnte sich selbst von außen ansehen dadurch, daß es sich eine Welt erzeugt, in der es selbst identisch enthalten ist. Dies aber führte sofort zur unendlichen Spiegelung des Gehirns in sich selbst. Die Auflösung dieser Paradoxien besteht aber darin, daß das Gehirn, welches wahrgenommen wird, ein kognitives Konstrukt des wahrnehmenden , d. h. konstruierenden Gehirns, ist und als solches selbst nicht mehr wahrnehmen kann.
Die genauere Bestimmung der ‚räumlichen‘ Beziehung zwischen realer und kognitiver, ‚wirklicher‘ Welt ist deshalb so schwierig, weil der Begriff des Raumes natürlich selbst ein kognitiver ist. … Die Gültigkeit der allgemeinen Relativitätstheorie wird nicht in der realen Welt, sondern in der – uns allein zugänglichen – sinnlich – kognitiven Welt nachgewiesen, z.B. durch astronomische Beobachtungen, und das Eintreffen bestimmter Annahmen beweist nur die Konsistenz der theoretischen Annahmen mit unseren Beobachtungen.
Wir können deshalb weder den alltäglichen noch den physikalischen Raumbegriff auf die Beziehungen zwischen kognitiver und realer Welt anwenden, da beide Welten einen grundsätzlich verschiedenen ontologischen Status haben. Es hat deshalb keinen Sinn zu sagen, daß die kognitive Welt in der realen Welt existiert, denn das würde ja eine beide Welten umfassende Geometrie, eine Geometrie des ‚Hyperraumes‘ voraussetzen.“ (238/239)
„Der Gehirn – interne Gewinn von Kenntnissen über die Umwelt wird durch … Konsistenzprüfung … (hergestellt). Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, daß das reale Gehirn individuelle Wirklichkeit nur unter spezifischen sozialen Bedingungen entwickeln kann: ‚In diesem Sinne ist die von unserem Gehirn konstituierte Wirklichkeit eine soziale Wirklichkeit und keine Monade im Leibnizschen Sinne, obwohl sie in der Tat kein Fenster nach draußen hat.“ (16f)
Den letzten Halbsatz verstehe ich so, daß das reale Gehirn ausschließlich Veränderung an (in) sich selbst feststellt. Um sich diese Veränderung zu erklären, postuliert es eine Außenwelt (Raum, Zeit und Materie) im Gegensatz zu sich selbst als Innenwelt (Körper samt Gehirn). In diese konstruierte plausible Außenwelt positioniert es die Herkunft einer wirkenden Kraft, die die Veränderung hervorgerufen haben mag. Demnach sind die Fenster keine wahren Tore zur Umwelt, sondern bloß plausible, symbolische Darstellung von in Wirklichkeit internen Veränderungen. Das Fettgedruckte unten ist hier etwas ausführlicher:
„Unter ‚Wahrnehmung ‚ versteht Powers 5 nicht eine ‚… Aufnahme oder Wiedergabe von Informationen, die von außen hereinkommt, sondern (…) die Konstruktion von Invarianten, mit deren Hilfe der Organismus seine Erfahrungen assimilieren und organisieren kann‘ … Invariantenbildung setzt ein Modell des Funktionierens unseres Gehirns voraus, das auf negativen Rückkopplungssystemen basiert, die hierarchisch organisiert sind. Diese Invarianten, die Piagets ‚operativen Schemata‘ vergleichbar sind, geben unseren Vorstellungen ihre offensichtliche Stabilität und Dauer, aber sie wirken auch als begrenzende Bedingungen für jede weitere Konstruktion.
In dem hierarchischen Ebenensystem der Konstruktion werden zunehmend komplexere Größen hergestellt: Objekte, Programme, Prinzipien, Systeme, Theorien, Modelle. Als obersten Bezugswert, der alle Operationen auf den verschiedenen Ebenen steuert, vermutet Powers ein inneres Prinzip wie ‚Selbstverwirklichung‘.
Wichtig für die philosophische Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Beobachtung ist Powers` Annahme, daß die Organisationsprinzipien der jeweils höheren Ebene die Definitionskriterien für das abgeben, was als Datum oder Evidenz gilt. Die Spitze der Systemhierarchie kontrolliert demnach, was wahrgenommen wird, und zwar auf allen hierarchischen Stufen. 6 Das aber bedeutet: Es gibt keine Ebene organisationsfreier unmittelbarer Wahrnehmung. Anders akzentuiert: Als Organismus haben wir keinen kognitiven Zugang zu unserer Umwelt, sondern nur als Beobachter. Und noch einmal anders pointiert: ‚Es gibt keine Trennung von Wahrnehmung und Interpretation. Der Akt des Wahrnehmens ist der Akt der Interpretation‘. … Welt ist Welt, wie wir sie sehen, sie ist Erfahrungswirklichkeit. … Dabei spielt das Konzept des Beobachters eine zentrale Rolle. Maturana hat dieses Konzept bei der Unterscheidung zwischen System und Beobachter eingesetzt. Ein System, das in der Lage ist, mit seinen internen Zuständen zu interagieren, und von diesen Interaktionen Repräsentationen (sog. Beschreibungen) zu erzeugen, operiert als Beobachter und kann Konstrukte des Systems und seiner Umwelt kognitiv erzeugen. Jede Erklärung der Kognition muß eine Erklärung des Beobachters und seiner Rolle enthalten. Erst für den Beobachter wird etwas, das er beschreiben kann, zu einem Gegenstand, den er von anderen unterscheiden kann. Jede Beobachtung schließt also notwendig den Beobachter ein: Er ist die letztmögliche Bezugsgröße für jede Beschreibung.“ 7 (17 – 19)
Roth stellt und beantwortet nun die Frage nach der Unmittelbarkeit der Sinneserfahrung und nach der Verläßlichkeit der intern generierten kognitiven Welt.
„Die erste der oben gestellten Fragen läßt sich also dahingehend beantworten, daß die Unmittelbarkeit der Sinneserfahrung, die von vielen Philosophen als Basis unserer Welterkenntnis und von vielen Hirnphysiologen als völliges Rätsel angesehen wird, selbst ein Konstrukt des Gehirns ist, indem es die (kognitive) sinnliche Welt unmittelbar von der (kognitiven) Körperwelt und der ‚mentalen‘ Welt abgrenzt. Diese Bereiche stoßen – bildlich gesprochen – direkt aneinander. Die Ansicht, das Gehirn sei ein gegenüber den Umweltereignissen offenes System, beruht darauf, daß die unmittelbare sinnliche Welterfahrung nicht als ein solches Konstrukt begriffen wird.
Nun zur zweiten Frage, nämlich nach der Verläßlichkeit der Funktion dieser intern generierten kognitiven Welt. Das Gehirn läßt sich als ein funktional und semantisch selbstreferentielles oder selbst-explikatives System auffassen. Unter funktionaler Selbstreferentialität eines Systems verstehe ich die Eigenschaft, mit den eigenen Zuständen rekursiv oder zirkulär zu interagieren, so daß jeder zustand aus der Interaktion früherer Zustände resultiert. Selbstreferentielle Systeme sind in ihren Zustandssequenzen selbstbestimmt oder autonom. Ihre Zustandssequenzen sind nicht von außen steuerbar. Wichtig ist, daß Selbstreferentialität nicht Isoliertheit bedeutet: selbstreferentielle Systeme sind i. a. R. durchaus von außen beeinflußbar oder modulierbar. Die Wirkungen dieses Einflusses, seine Quantität und Qualität, sind aber vollständig durch das selbstreferentielle System bestimmt. D. h. ob ein externes Ereignis überhaupt auf das System einwirken kann und, wenn ja, in welcher Weise und Stärke, legt das System fest.“ (240/241)
Dann stellt Roth die Frage: „Wie kann aber … ein derart selbstreferentielles und selbst-explikatives System überlebensfördernde Kenntnis über die Umwelt erlangen, in der sein Organismus und es selbst überleben müssen?“ (241)
Roth fand drei Möglichkeiten:
- Die Evolution hat eine Grobverdrahtung des Gehirns bewirkt, die das Überleben sichert.
- Die parallele Konsistenzprüfung. Das Gehirn vergleicht die Informationen der unterschiedlichen Sinnesorgane und setzt aus ihnen eine plausible Welt zusammen. Abweichungen werden aus der Wahrnehmung herausgefiltert.
- Die konsekutive Konsistenzprüfung: Prüfung der Sinneswahrnehmungen an den gespeicherten Erinnerungen.
Das Gehirn sei hier unglaublich flexibel; Widersprüche werden ausgeblendet oder geglättet. An Experimenten konnte gezeigt werden, daß das Gehirn beispielsweise über die räumliche Orientierung der visuellen Welt frei verfügen kann, um eine intern konsistente Wahrnehmung zu erlangen. (242-244
„Warum aber, so müssen wir fragen, ist das Gehirn überhaupt ein selbstreferentielles System. Warum verschafft es sich nicht direkten Zugang zur Welt? Dann wären alle Probleme der Überprüfbarkeit gelöst.“ (245) Roths Antwort: „Bewußte Wahrnehmung, geplantes Handeln und erfolgreiche Bewältigung sehr komplexer Umwelten (auch sozialer Umwelten) sind nur durch ein semantisch selbstreferentielles und selbst-explikatives System möglich, wie es das menschliche Gehirn ist.
Betrachtet man die Evolution des Wirbeltiergehirns von den sogenannten ‚primitiven‘ Wirbeltieren bis hin zum Menschen, so läßt sich feststellen, daß die Größe des Gehirns ziemlich streng mit der Fähigkeit zum Lernen und zu komplexem Handeln und damit zur Bewältigung einer immer komplexeren Umwelt korreliert ist. Ich möchte hier die Frage offenlassen, ob die Größenzunahme des Gehirns innerhalb der menschlichen Evolution das Produkt des Selektionsdrucks einer zunehmend komplexeren Umwelt war, oder ob, wofür es inzwischen viele Anhaltspunkte gibt, das Gehirn aus internen Wachstums- und Differenzierungsgründen größer und komplizierter wurde und der Mensch erst sekundär dadurch in die Lage versetzt wurde, immer komplexere Umwelten zu bewältigen.“ (246)
Roth berichtet, daß die quantitative Datenflut, die ein primitives Tier von den Sinnesorganen erhält, nicht wesentlich anders ist, als beim Menschen. Aber der Mensch verfüge über wesentlich mehr Möglichkeiten, diese Datenflut auszuwerten. Dabei benutze er die Gehirnkapazitäten nicht, um mehr Daten verarbeiten zu können, sondern um aus möglichst wenigen Daten möglichst viel Qualität herauszuholen. Dies aber kann nur gelingen, wenn sich das Gehirn eine interne kognitive Welt herstelle und Sinnesdaten mit Erinnerungen mische. Unsere sichtbare Welt bestehe demnach aus Erinnerungen, die von wenigen Sinnesinformationen aktualisiert würden. Diese so intern generierte Welt ermögliche schnelles Handeln. Wäre das Gehirn kognitiv offen, wäre es zu langsam, um das Überleben zu sichern.
Am Schluß seines Aufsatzes versucht Roth die Frage nach dem ‚Ich‘ zu beantworten.
„… daß das Ich keinen merklichen willentlichen Einfluß auf ’seine‘ Wahrnehmungen hat … Kein Hungriger kann aus einem Stein per kognitivem Entschluß ein Stück Brot machen … Dies zeigt uns, daß einerseits die kognitive Welt bis ins Absurde verformbar ist, daß aber andererseits das sogenannte kognitive Subjekt nicht der Akteur und Produzent dieses Vorgangs ist, sondern vielmehr das Objekt. Dieses kognitive Subjekt/Objekt (das ‚Ich‘) kann Wahrnehmung nicht gestalten, es scheint sie vielmehr zu erleiden
Dies stimmt mit der Tatsache überein, daß alle Bemühungen vieler Psychologen, Philosophen und Hirnforscher, das Ich im Gehirn zu lokalisieren, völlig fehlgeschlagen sind.“ (249)
„Wie G. Roth betont, sind vier funktionale Großbereiche des Gehirns an der Konstitution dessen beteiligt, was ‚Bewußtsein‘ oder ‚Ich‘ genannt werden kann.
– Hirnstamm und Formatio reticularis steuern Wachheit und Aufmerksamkeit,
– das thalamocorticale System des Zwischen- und Großhirns steuert die Sensorik und Sensomotorik der bewußten Wahrnehmung,
– das limbische System ist wichtig für das Gedächtnis;
– der Stirnbereich der Großhirnrinde bildet ein System der Handlungskoordination und –planung.
Diese Kooperation bedingt, daß ‚Ich‘ oder ‚Bewußtsein‘ keinen im Gehirn örtlich lokalisierbaren Sitz haben. Die vier Großbereiche sind untereinander hochgradig reziprok verknüpft und bilden mehrfach ineinandergeschachtelte Erregungskreise mit Milliarden von Nervenzellen. Roth vermutet daher, daß das Ich wahrscheinlich keine eigene Instanz ist, ‚… sondern ein spezifisch hervorgehobener komplexer Zustand des Gehirns, der in komplexen, selbstreferentiell organisierten kognitiven Systemen notwendig auftritt.“ (20)
„Es ist durch nichts bewiesen, daß unsere bewußte Wahrnehmung (‚Ich‘) überhaupt einen Einfluß auf unser Handeln hat, wie es ja auch völlig unbewiesen ist, daß es so etwas wie einen Willensakt gibt. Neueste psychophysische Experimente bestärken die bereits langgehegte Vermutung, daß der subjektive Willensentschluß ein bloßes Epiphänomen ist.“ (251)
Gerhard Roths Zusammenfassung in folgenden Thesen:
- „Das Gehirn … hat keinen direkten Zugang zur Außenwelt. Es geht bei der Interpretation seiner eigenen Zustände nur nach internen Prinzipien der Konsistenzprüfung vor. …“
- Das Gehirn, als selbstreferentielles System, hat zum einen in langer Evolution , die alle Wirbeltiervorfahren einbegreift und damit etwa eine halbe Milliarde von Jahren umfaßt, und zum anderen innerhalb seiner individualgeschichtlichen Entwicklung interne Prüfverfahren entwickelt, die hochgradig verläßlich sind, was die Handlungssteuerung betrifft.
- Aufgrund seiner selbstreferentiellen Organisation, d.h. des ständigen gegenseitigen Ineinanderabbildens der oben genannten funktionalen Großsysteme, schafft sich das real – materielle Gehirn eine Welt, die es in eine Umwelt, eine Körperwelt und eine Ich- (oder Gedanken-) Welt gliedert, und es konstituiert diese drei Welten so, daß sie sich möglichst scharf voneinander unterscheiden. Diese kognitive Welt ist dadurch, daß sie in bezug auf ihre eigenen Teilbereiche konstituiert und definiert ist, in sich abgeschlossen. Dies ist die Wirklichkeit, in der wir existieren und von der wir Teil sind. Insofern stehen wir ihr nicht gegenüber, sondern sie geht durch uns hindurch. Unser Ich, das wir als das Unmittelbarste und Konkreteste, nämlich als uns selbst, empfinden, ist – eine Fiktion, der Traum eines Gehirns, von dem wir, die Fiktion, der Traum, nichts wissen können. Darum sind wir uns notwendigerweise die einzige Wirklichkeit.
- Auch wenn das Gehirn ein in sich funktional und kognitiv abgeschlossenes System ist, so bedeutet dies nicht, daß es von der Umwelt isoliert ist. Seine Zustände können über die Sinnesorgane durch Umweltereignisse moduliert werden. Das Gehirn aber legt fest, welche Umweltereignisse in welcher Weise auf das Gehirn einwirken können, und es erfährt diese Einwirkungen nur an sich selbst. Das Gehirn hebt die prinzipielle Isolation aller neuronaler Systeme von der Welt dadurch auf, daß es die Welt als interne Umwelt konstituiert und mit dieser umgeht. Dies gilt insbesondere für die soziale Umwelt. Und so ist es kein Widerspruch, daß unsere individuelle, in sich abgeschlossene Wirklichkeit eine soziale Wirklichkeit ist. Denn das reale Gehirn, das diese individuelle Wirklichkeit erzeugt, kann, wie die Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte gezeigt haben, seine Funktionen nur unter spezifischen sozialen Bedingungen entwickeln. In diesem Sinne ist die von unserem Gehirn konstituierte Wirklichkeit eine soziale Wirklichkeit und keine Monade im Leibnizschen Sinne, obwohl sie in der Tat keine Fenster nach draußen hat.“ (252 ff)
- Autopoietische Systeme:
In einem zweiten Aufsatz – „Autopoiese und Kognition: Die Theorie H. R. Maturanas und die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung“- der ebenfalls in dem in Fußnote 1 angeführten Buch veröffentlicht ist, präzisiert Gerhard Roth seine bisher gemachten Aussagen. Bevor darauf näher eingegangen wird, soll jedoch Maturanas Theorie vorgestellt werden:
„Ein autopoietisches System ist nach dieser Theorie (Maturana) ein System, das zirkulär die Komponenten produziert, aus denen es besteht, das sich also über die Herstellung seiner Bestandteile selbst herstellt und erhält. Oder vom Standpunkt der Komponenten aus gesehen: die einzelnen Komponenten eines autopoietischen Systems erhalten sich dadurch selbst, daß sie an der Erhaltung all der anderen Komponenten beteiligt sind, die zu ihrer eigenen Erhaltung notwendig sind.“ Lebewesen mit ihren Organen sind solche Systeme.“ (238)
„Ein autopoietisches System ist nach Maturana autonom gegenüber seiner Umwelt. Obwohl materiell und energetisch offen, determiniert es selbst seine Zustandsfolgen aufgrund dessen spezifischer internen Struktur, die Autopoiese ermöglicht. Maturana nennt diese Eigenschaft ‚Strukturdeterminiertheit‘ (früher auch Zustandsdeterminiertheit‘ genannt). Strukturdeterminierte und damit autonome Systeme können zwar von außen angeregt oder ‚perturbiert‘ werden, diese Einwirkungen determinieren aber nicht die Zustandsfolgen des Systems. Ob überhaupt ein Umweltereignis auf ein autopoietisches System (nicht – schädigend) einwirken kann, und welche Folgen für das System diese Einwirkung hat, hängt also ausschließlich vom autopoietischen System selbst ab. Autopoietische Systeme sind hinsichtlich ihrer Zustandsänderungen (oder – wie Maturana sagt – ‚operational‘) abgeschlossene Systeme, sie haben in dieser Hinsicht auch keinen Input und keinen Output.“ (259)
„Wie aber kann ein ‚operational geschlossenes‘ System ein überlebensförderndes Verhalten erzeugen?“ (260)
Ich meine aus obigem fettgedruckten Satz ableiten zu müssen, daß ein autopoietisches System sich nur dann wieder ins Lot bringen muß, wenn es vorher Umwelteinflüsse zugelassen hat. Demnach wäre der beste Selbstschutz der, nur soviel Einfluß zuzulassen, wie es verarbeiten kann. Maturana beantwortet diese Frage anders, und zwar mit „struktureller Kopplung“:
„Jedes System hat als einziges Ziel die Fortsetzung der zirkulären Produktion seiner Komponenten und damit die Erhaltung seiner autopoietischen Organisation. Die Umwelt legt den Rahmen der Möglichkeiten, diese Organisation zu verwirklichen, fest: ob er weit ist, also dem Organismus viel ‚Spielraum‘ für Veränderungen läßt, oder eng, oder ob er nur einen Typus zuläßt. Dadurch koppelt sich der Organismus strukturell an seine Umwelt an. … Da aber die Existenz des Nervensystems mit der Existenz seines Organismus verkoppelt ist, sind nur diejenigen strukturellen Veränderungen des Nervensystems zugelassen, die zu … überlebensförderndem Verhalten führen. Über den Organismus und dessen Verhalten ist das Nervensystem damit – obwohl operational abgeschlossen – an die Umwelt angekoppelt.“ (260/261)
.. „Eben darin besteht die Autopoiese, daß alle Komponenten des Systems sich ständig gegenseitig reparieren und ersetzen. … Dies erfordert, daß die biochemische Interaktion der Komponenten in der Regel hochspezifisch und invariant ist: kleinste Abweichungen würden meist zum Zusammenbruch der Funktion führen. … Wie schon … gesagt, ist aber die Autonomie der autopoietischen Organisation der Lebewesen stets eine relative, denn sie bleiben immer in bestimmter Weise energetisch und materiell an ihre Umwelt gebunden. (263 – 265)
„Ich habe … zu zeigen versucht, daß die Beziehungen der Komponenten eines autopoietischen Systems und des Nervensystems (zumindest was seine mit Kognition befaßten Teile angeht) untereinander grundverschieden sind: während im ersteren die Autopoiese sehr spezifische Interaktionen zwischen den Komponenten verlangt, damit die Strenge Zyklizität der Systemzustände gewährleistet ist, zeichnen sich die Interaktionsweisen der Komponenten eines Nervensystems gerade durch Variabilität der Zustände aus, die zudem um so höher ist, je höher die kognitive Leistungsfähigkeit des Nervensystems ist. Kognition wird also gerade durch die Unspezifität und Variabilität der Zustände der Nervenzellen ermöglicht.
Es ist also sachlich unrichtig, Leben mit Kognition gleichzusetzen. Das, was die Nervenzellen tun, geht nicht in die Erhaltung ihrer selbst ein. Einfach gesagt: was die Muskelzellen meines Herzens und die Drüsenzellen meiner Leber tun, hat direkte Auswirkung auf die Erhaltung der Existenz meines Organismus; aber für die Tätigkeit vieler Milliarden von Neuronen, die beim Anhören Bachscher Musik und dem gleichzeitigen Nachdenken über ihre komplexe Struktur aktiv sind, trifft dies nicht zu. Es ist ja das Charakteristikum der kognitiven Tätigkeit des Gehirns, daß sie, wenn nur auf irgendeine Weise die Fortexistenz des Organismus gesichert ist, von der Verpflichtung zur Überlebensförderung entbunden ist. Die Autonomie des Gehirns ist ganz wesentlich eine Freisetzung von der Existenzerhaltung: das Gehirn kann sich immer mehr mit Dingen beschäftigen, die nur sehr indirekt oder überhaupt nichts mit Überleben zu tun haben (oder ihm auf Dauer sogar entgegenwirken). Dies gerade ist die Grundlage der spezifischen Leistung menschlicher Kognition, nämlich Konstruktion von Wirklichkeit und damit die Möglichkeit, Handlungs – Planung zu betreiben, d. h. etwas zu tun, was noch keinen Nutzen für den Organismus hat. … Kognition schafft – im Gegensatz zu der Auffassung Maturanas – etwas, was nicht auf derselben ontologischen Ebene wie die Autopoiese verbleibt.“ (269/270)
„Das materielle, reale Gehirn, als Teil des autopoietischen Organismus, schafft sich durch Selbstbeschreibung und Selbstexplikation eine eigene Welt, nämlich die Wirklichkeit, in der wir leben und deren Teil wir – als Zustand der Selbstbeschreibung unseres kognitiven Systems – selbst sind. Wir haben es hier also durchaus mit einem ontologischen Sprung zu tun, nämlich dem Sprung von der materiellen Realität, die uns kognitiv unzugänglich ist, zur kognitiven Wirklichkeit, die für uns die einzig existierende Welt ist. Der Bereich der Wirklichkeit setzt natürlich denjenigen der materiellen Realität voraus, in dem das kognitive System des Gehirns einen autopoietischen Organismus voraussetzt. Kognition ist damit an Autopoiese angebunden, überdauert mit ihr und geht mit ihr zugrunde. Zugleich aber unterliegt Kognition, indem sie von der Autopoiese erhalten wird und nicht für ihre eigene materielle Existenz sorgen muß, nicht denselben Gesetzmäßigkeiten, die für die Autopoiese gelten. Sie konstituiert einen grundsätzlich neuen Seinsbereich, denn sie schafft Prozesse, nämlich die der Selbstbeschreibung, die es in der physikalisch – chemischen Welt der Autopoiese grundsätzlich nicht gibt. Dies ist der Grund dafür, daß für Wahrnehmung und Denken nicht das gilt, was wir ‚Naturgesetze‘ nennen.“ (275)
Offensichtlich sieht Roth nur in der realen Welt Naturgesetze walten! Kein Wunder, daß er später zum Schluß kommen wird, das kognitive Hirn müsse sich irgendwann zu dieser Realität durchringen und alle kognitiven Freiheiten (wieder) aufgeben. Ich bezeichne dies allerdings als Verrat am Radikalen Konstruktivismus, also an all dem, was ich oben so fleißig zitiert habe. Dazu später mehr.
- Über Sprache / Kommunikation:
„Die Funktion der Sprache besteht nach Maturana darin, ‚… den zu Orientierenden innerhalb seines kognitiven Bereichs zu orientieren, und nicht, auf selbständige Entitäten zu verweisen … Wenn diese Annahmen zutreffen, dann wäre daraus der Schluß zu ziehen, , ‚… daß es keine Informationsübertragung durch Sprache gibt. Es ist dem Orientierten überlassen, wohin er durch selbständige interne Einwirkung auf seinen eigenen Zustand seinen kognitiven Bereich orientiert.“ (28)
„Denotation ist mithin eine Beobachterkategorie, die denotative Funktion einer Botschaft liegt ausschließlich im kognitiven Bereich des Beobachters.“ (29) „… liegt die denotative Funktion der Botschaft lediglich im kognitiven Bereich des Beobachters und nicht in der operativen Wirksamkeit der kommunikativen Interaktion.“ (28)
Diese Sätze bedeuten, daß Informationsübertragung von einer Person zu einer anderen nur Erscheinung für einen Beobachter ist; in Wahrheit wird Information nicht räumlich und zeitlich übertragen, sondern geschieht ‚von innen her‘ über Resonanzen, etwa wie eine tönende Gitarre eine andere zum Mitschwingen bringt. Es ist (sozusagen für die Gitarre) nicht feststellbar, ob die zweite Gitarre ihren Ton selbst erzeugt hat oder ob sie zum Tönen angeregt wurde.
(Sprache = Welt): „Wann immer wir mit Sprache interagieren, bleiben wir im Bereich von Beschreibungen (zweiter Ordnung), auch wenn wir über ‚Welt‘, ‚Wissen‘ von Welt‘ usw. reden.“ (29)
(zur Relativitätstheorie): „Daraus folgt, daß eine Realität als eine Welt unabhängiger Gegenstände , über die wir reden können, notwendigerweise eine Fiktion des rein deskriptiven Bereichs ist, …“ – Wir reden nicht über Gegenstände, sondern Gegenstände sind unser Reden… „Es gibt keine Gegenstände der Erkenntnis“ (31)
„Darum ist es nicht verwunderlich, daß wir ständig Parallelitäten zwischen Wirklichkeits- und Wissensstrukturen feststellen, daß sprachliche Äußerungen die Deskriptivität zu besitzen scheinen, die abbild- und korrespondenztheoretische Semantiken und Wahrheitstheorien so fasziniert haben. Individuen halten ihre Welt durch die Ausführung gewohnten Verhaltens und durch den Gebrauch einer natürlichen Sprache aufrecht. “ (33)
Und daß über die Sprache von ‚Kreatoren‘ oder ‚Hütern der Wirklichkeitsbestimmung‘ manipulierend – weltschöpfend – eingegriffen wird, soll folgendes Kapitel plausibel machen.
- Berger/Luckmann: „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“
Auch Berger und Luckmann sprechen von einer kognitiven Welt; sie nennen sie allerdings anders, nämlich ’symbolische Sinnwelt‘ (s. BergerLuckmann2.html🙂
„Diese ist die Welt, in der wir leben. An ihrem Maßstab versichern wir uns unserer Existenz und beurteilen unser Leben – ob es „richtig“ sei oder nicht. Besonders die Legitimation des Todes, die uns bereit macht, ihn zu akzeptieren, gewinnen wir aus dieser höchsten uns vorstellbaren Ordnung. Indem wir die(se) … Ebene … geschaffen haben, haben wir eine ganze Welt erschaffen. (103) Damit hier nichts dem Zufall überlassen bleibt, gibt es Legitimatoren, die offiziellen Ausleger der Wirklichkeit“, bzw. die „Sachverständigen für Weltordnung“. Sie sind die Konstrukteure der Welt. Ihrem Willen ist es beispielsweise zu verdanken, daß wir unseren Träumen einen geringeren Wirklichkeitsstatus zueigenen, als der offiziellen symbolischen Sinnwelt. (104) Die Auslegung dessen, was zur „hellen Wirklichkeit der Alltagswelt“ gehört, schützt uns vor ‘ungesunden Gedanken’, diese Welt sei vielleicht nichts als eine Täuschung, und die Welt der heulenden Gespenster der Nacht und des absoluten Grauens sei die Realität. „Jede gesellschaftliche Wirklichkeit ist gefährdet und jede Gesellschaft eine Konstruktion am Rande des Grauens.“ (111)
Gesellschaftliche Organisation als Stütze für Sinnwelten: „Wirklichkeit ist gesellschaftlich bestimmt. Aber die Bestimmung wird immer auch verkörpert, das heißt: konkrete Personen und Gruppen sind die Bestimmer von Wirklichkeit. Will man den Zustand der gesellschaftlich konstruierten Sinnwelt … verstehen, so muß man die gesellschaftliche Organisation durchschauen, die es solchen Bestimmern ermöglicht, daß sie bestimmen. Etwas gröber ausgedrückt, verschiebt sich die Frage nach historischen Wirklichkeitskonzeptionen zwangsläufig vom abstrakten ‘Was?’ zum soziologisch konkreten ‘Wer?’.“ Hinter dem ‘Wer?’ verbergen sich die sog. Experten, die die „gesamte Jurisdiktion über den gesamten Wissensvorrat“ beanspruchen. „Sie sind, horrible dictu, Welt-Spezialisten.“ (125) Diese Inhaber der entscheidenden Machtpositionen sind „bereit, ihre Macht für die traditionellen Wirklichkeitsbestimmungen einzusetzen und sie der Bevölkerung autoritativ aufzuzwingen. Mögliche Konkurrenz für die Sinnwelt wird liquidiert, sobald sie auftaucht, nämlich entweder physisch zerstört … oder integriert.“ (130)
Ich habe diese Zitate ausgewählt, um zu zeigen, daß es Leute gibt, die steuernd und gestaltend in den Wissenschaftsmythos eingreifen. Gleichwie Roth konstruktivistische Ideen wieder in den sog. ‚Kritischen Realismus‘ zurückführte und so neutralisierte, verfuhr beispielsweise Wolfgang Stegmüller mit der Philosophie Thomas Kuhns 8: Kuhn zeigte, daß es in den Zeiten von Paradigmenwechseln eine Art Geschichtslosigkeit gibt, die rational und kausal nicht überbrückt werden kann. Stegmüller bastelte allerdings heimlich wieder eine rationale / kausale Brücke zwischen die Paradigmensysteme, indem er sie miteinander verglich und ‚Fortschritt‘ zwischen ihnen ‚feststellte‘ – in Wahrheit postulierte. Damit war das revolutionäre Element von Kuhns Philosophie, nämlich das Konstruktivistische, das wirklich Neue, neutralisiert und in die Belanglosigkeit überführt worden (also mit denselben Folgen, wie Roths Gedanken).
Auch andere Hirnforscher äußerten sich so, als hätten sie von den neuen Erkenntnistheorien noch nie gehört, z. B. Prof. Wolf Singer: „… alle Hirnleistungen – einschließlich der höchsten geistigen und psychischen Funktionen – (sind) auf die Wechselwirkungen von Nervenzellen zurückzuführen, die den bekannten Gesetzen von Physik und Biochemie folgen.“ 9
Ich sehe hier das Wirken der oben genannten ‚Welt-Spezialisten‘, die darauf achten, daß der gegenwärtig gültige Wissenschaftsmythos eingehalten wird.
- Meine eigene Theorie zum Thema „Konstruktion der Wirklichkeit“
- Wissenschaftstheoretische Überlegungen
- a) Überlegungen zum Thema „Zeit“:
Um hier Wirklichkeit von Fiktion unterscheidbar zu machen, fragen wir uns, welche der drei Zeitabschnitte, nämlich „Vergangenheit“, „Gegenwart“ und „Zukunft“ wirklich sind. Die Vergangenheit ist vorbei. Sie ist nicht (mehr) wirklich, es sei denn als Erinnerungen oder Dokumente, soweit sie in der Gegenwart existieren. Die Zukunft gibt es (noch) nicht. Auch sie ist nicht wirklich. Ausschließlich die Gegenwart hat wirkliche Existenz. Dieser Zeitabschnitt mit der Dauer von null (Sekunden oder anderen Zeitmaßen) beinhaltet alles, was wirklich ist.
Da es ausschließlich Gegenwart gibt, verändert sie sich nicht in der Zeit. Das Gegenwärtige ändert sich „in sich selbst“ nach seiner eigenen inhärenten Struktur. Was wir als „Fluß der Zeit“ erleben, ist Resultat unserer reduktionistischen Theorien, mit denen wir in die Allgegenwart einen Zeitpfeil hineinkonstruieren. Es entsteht ein Nacheinander von Erscheinungen, welche wir mittels Kausalität wieder verbinden und das Ganze dann „logisch“ nennen, weil wir die Welt für logisch erachten. Von „Erscheinungen“ spreche ich, weil wir die Wirklichkeit nicht in ihrer gesamten allgegenwärtigen Komplexität wahrnehmen, sondern nur als (reduziertes) Modell, das wir uns von ihr gemacht haben: Was in Wirklichkeit ein inniges Umgestalten des allgegenwärtigen Seins ist, erleben wir als Objekte in einem Fluß der Zeit. Dieser Fluß ist Produkt unserer Theorie von der Welt. Wir haben die Zeitdimension externalisiert und nehmen dadurch der Zeit beraubte Objekte in der Zeit wahr. Die Zeit ist nun nicht mehr in den Objekten, sondern sie bildet ihre Umgebung, innerhalb derer nun die Objekte dauern. Die materiellen Atome existieren nun endlos lange im Strom der Zeit.
- Überlegungen zum Thema „Raum“:
Schließen wir in einem taghellen Zimmer die Augen, sehen wir vor unseren Augen etwas Schwarzes. Stimmt das? Nein! Vor unseren Augen ist ja immer noch das helle Zimmer! Wo also ist das Schwarze? Ist es die unbeleuchtete Rückseite unserer Augenlider? Das kann auch nicht stimmen, denn das Schwarze, das wir sehen, hat keinen Abstand. Allein: wir wissen, daß es der Raum ist, in welchen wir unsere optischen Wahrnehmungen hineinprojizieren, wenn wir die Augen öffnen. Genauer: Das Schwarze, das wir mit einem geschlossenen Auge sehen, ist eine Fläche; das Schwarze, das wir mit beiden geschlossenen Augen sehen, ist im Gehirn zu unserem Wahrnehmungsrahmen für optische Wahrnehmungen verschaltet. Es ist der dreidimensionale Raum, in dem wir leben. Es ist ein Konstrukt unserer Gehirne. Jeder sehende Mensch hat in seinem Gehirn einen unendlich großen dreidimensionalen Raum kreiert. Obwohl all diese Räume unendlich groß sind, überschneiden sich die Räume der einzelnen Menschen nicht, selbst dann nicht, wenn diese Menschen dicht nebeneinander stehen. Öffnen wir unsere Augen, wird die (vermeintliche) Außenwelt in diesen Raum hineinprojiziert. Was wir erleben, ist unser Herumlaufen in der Sehrinde unseres eigenen Gehirns!
Schauen wir des Nachts bei Neumond in den sternenklaren Himmel und richten wir unser Augenmerk auf das Schwarze zwischen zwei Sternen, müssen wir anerkennen, daß die Schwärze zwischen diesen hunderte Lichtjahre voneinander entfernten Sternen nicht etwa „da draußen“ ist, sondern daß es dieselbe Schwärze ist, die wir des Tags bei geschlossenen Augen in unserem Zimmer, bzw hinter unseren Augendeckeln – in unserem Gehirn sehen. Die Sterne – wie wir sie sehen – sind in jenem unendlichen Raum, den unsere Gehirne neuronal geschaltet haben, als in unserer Sehrinde..
Was für die Sterne gilt, gilt selbstverständlich für alle anderen materiellen Objekte: Sie sind Abbildungen – Projektionen – in der Sehrinde des Gehirns. Aber auch das Gehirn besteht aus Materie! Kann das Gehirn eine Abbildung in sich selbst sein? Unmöglich! 10- Wir müssen unsere Theorie modifizieren: Wir können den menschlichen Geist nicht mehr im Gehirn suchen, sondern umgekehrt: Das materielle Gehirn ist in unserem immateriellen Geist! Wir sind multidimensionaler Geist, der drei seiner Dimensionen zu einem schwarzen Raum (und eine Dimension zur linearen Zeit) verschaltet und mittels dieses Raum/Zeit-Rahmens sich selbst (als Gehirn, Mensch) und seine Welt darin abbildet. Aus einer Raum/Zeit/Materie-Singularität werden Objekte in Raum und Zeit kreiert. Die Objekte der Welt (einschließlich des Gehirns) sind ganz und gar Konstrukte unseres Geistes. Allerdings stellt sich nun die Frage, ob es überhaupt eine Außenwelt gibt. – Hier kommen nun die Träume ins Spiel; und ich erinnere daran, daß auch Berger/Luckmann Aussagen über den Stellenwert von Träumen gemacht haben. 11
Meine Theorie, die (im Gegensatz zu Roth) die Inexistenz einer der Innenwelt ähnlichen Außenwelt postuliert, ist trotzdem keine solipsistische Theorie. Ich sage zwar, daß alle Objekte der Welt in meinem Geist sind, aber ich unterstelle diesen Sachverhalt auch allen anderen bewußten Lebewesen. All diese Lebewesen träumten ursprünglich ihre Welten: keine dieser Welten war den anderen ähnlich. Aber die Wesen konnten miteinander kommunizieren, und die Kommunikation erhielt nur dann einen Sinn, sofern es Gemeinsamkeiten gab. (Auch Berger/Luckmann schreiben, daß die Sprache die Welt objektiviert – zum Objekt macht, zB S. 163/164. Und S. J. Schmidt schreibt Entsprechendes – s. Seite 10, Zitat (33) Über die Brücke einer ersten Gemeinsamkeit konnten weitere Gemeinsamkeiten der subjektiven Universen hergestellt werden (Resonanzprinzip). Die Welten näherten sich einander an, bis alle bewußten Lebewesen scheinbar in einer gemeinsamen Welt lebten. Auf diese Weise entstand die „objektive“ Welt. Ich mußte mich mit der Vorstellung vertraut machen, daß sich die Welt da draußen nicht etwa im Sehzentrum meines Hinterkopfes abbildet und von meinem Bewußtsein irgendwie betrachtet wird, sondern daß die Welt da draußen bereits jene Abbildung ist. (vgl. Roth 238/239) Mein wahrer Denkapparat ist alokal: unendlich groß und klein zugleich und atemporal – ewig, und die Welt findet in ihm (mir) statt. Tod gilt nur für meine körperliche Erscheinung, nicht für meinen Geist. Dies steht freilich im Widerspruch zu G. Roth, weil er Kognition von Materie getragen sieht. Ich sehe es umgekehrt.
- Der Wissenschaftsmythos
Die Welt ist meiner Auffassung nach rational geschlossen, aber geistig offen. Dies machen sich die o.g. „Sachverständigen für Weltordnung“ zunutze. Sie müssen Sorge dafür tragen, daß meine hier geäußerten wissenschaftstheoretischen Überlegungen keine Verbreitung finden: daß Träume weiterhin ins Unbewußte abgeschoben werden, daß Raum und Zeit nicht hinterfragt werden, daß Bewußtsein stets im Gehirn (und nicht umgekehrt: Gehirn im Bewußtsein) gesucht wird, daß der Mensch berechenbar gemacht wird, indem man ihn zum „homo ökonomicus“ züchtet. Freilich sind in Philosophie und Wissenschaft dazu einige Fälschungen nötig:
- Beim Wellen/Teilchen-Dualismus muß (weil in der Wissenschaft ALLES auf der Erscheinungsebene stattfinden muß) die Atemporalität und Alokalität des Wellenaspektes geleugnet werden. Dazu half die „Erklärung“, daß Wellen sich in Raum und Zeit etwa wie Wasserwellen im Teich ausbreiten – obgleich genau das Wellen nicht tun! Wellenartig ist das Licht dann, wenn ich nicht hinschaue; Teilchen ist es, wenn ich hinschaue. Beim Doppelspaltexperiment habe ich den Detektor hinter dem Doppelspalt. Darum ist das Licht am Doppelspalt Welle und kann beide Spalten gleichzeitig passieren und kann sogar dabei der Kausalität spotten, indem das Licht rückwirkend seinen Weg ändern kann. Erst im Detektor wird das Photon zum Teilchen. Das funktioniert natürlich nur bei Atemporalität und Alokalität des Wellenaspektes: Ein Photon als Welle ist überall und nirgendwo; es ist der Lichtgeschwindigkeitsbegrenzung nicht unterworfen; das ist es ausschließlich in unserem um Raum und Zeit reduzierten (Teilchen-) Modell. Die Welle hat natürlich den Doppelspalt nie passiert. Das tat sie ausschließlich nach unserer Interpretation der Erscheinungen.
Beim Wellen/Teilchen-Dualismus, nach welchem die Welle sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, ist die Welle eine Mischung aus Welle- und Teilchen meines Modells. Diese Mischung, bzw. Fälschung war „notwendig“, weil in der Naturwissenschaft die gesamte Dualität des Lichtes in der Erscheinungswelt stattfinden sollte, nicht, wie in meiner Theorie, das Teilchenmodell für die Erscheinungswelt geltend und das Wellenmodell für die Realitätsebene dahinter.
Licht ist reine Erscheinung. Es fliegt ausschließlich in unsern subjektiven kognitiven Räumen jeweils mit Lichtgeschwindigkeit. Warum gehen die Eigenbewegungen von Körpern in den kognitiven Welten NICHT in die Lichtgeschwindigkeit ein? Einstein beantwortete diese Frage, indem er die Relativitätstheorie entwickelte. Meine Auffassung ist die, daß unsere Seelen, die ja die kognitiven Welten sich vorstellen, selbst zeit- und raumlos sind. Sie haben keine Relativgeschwindigkeit zueinander. Aus diesem Grund haben auch die kognitiven Räume keine Relativgeschwindigkeiten zueinander und das Licht in allen kognitiven Räumen ebenfalls nicht.
Die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, die sich daraus ergibt, daß das Licht immer zum Subjekt konstant schnell ist, beweist, daß die physikalischen Strukturen NICHT identisch mit den geistigen sind, wie manche Philosophen behaupten. Die Spiritualisten reden NICHT mit unterschiedlichem Vokabular über dasselbe, wie die Physiker. Bestenfalls die Strukturen, in denen die sog. „virtuellen Teilchen“ auftauchen, könnten evtl. als Übergang der geistigen Welt in die physikalische betrachtet werden.
- Bei der Hirnforschung darf zwar erkannt werden, daß alle Objekte der Außenwelt in unserer Wahrnehmung Konstrukte einer neuronalen Datenverarbeitung sind, aber das Objekt „Gehirn“ darf nicht mit in das Kalkül einbezogen werden. Antwort aller Experten, die ich fragte: „Das bringt nichts!“
- Bei der Suche nach wissenschaftlichen Erklärungen wird stets auf der Erscheinungsebene geblieben. Damit wird das Hinterfragen von Raum und Zeit umgangen. Man fragt: „Welche Erscheinung war vor dieser Erscheinung?“ und hält jene für Erklärung dieser. Der Versuch, Erklärungen für Phänomene der Makroebene in der Mikroebene zu suchen, geht ebenfalls nicht weit genug. Auch er verläßt die Erscheinungswelt nicht. Man ist nicht bereit, die Ursache von Erscheinungen in dem zu suchen, was Erscheinungen generell verursacht.
Wenn in einem Spielfilm ein Lichtstrahl auf eine Mauer fällt, sucht man die Ursache in der Filmebene und wird zB die Sonne als Erklärung heranziehen; in Wirklichkeit ist die Ursache jedoch der Filmprojektor.- Dieses Beispiel demonstriert auch gut meine eingangs dieses Kapitels geäußerte Behauptung von der rationalen Geschlossenheit und geistigen Offenheit: Wer denkerisch in der Filmebene bleibt, beweist kognitive Geschlossenheit; wer darüberhinaus denken kann, beweist kognitive Offenheit! Kreatoren, die auf der ‚Projektorebene‘ operieren, können von Wissenschaftlern in der ‚Filmebene‘ nicht entdeckt werden.
- Bei der Handhabung der Quantentheorie wird immer wieder die Wechselwirkung mit dem Experimentator aus der Aufmerksamkeit ausgeblendet. Man eliminierte den Beobachter durch Einführung der sog. „Unschärferelation“.
- Energie ist in der physikalischen Welt immer nur Energiedifferenz. Das sollte eigentlich stutzig machen und den Wissenschaftler dahin führen, wo die wirkliche Energie ist. Warum fragen sich die betreffenden Damen und Herren nicht, wieso in unserem Kosmos keine wirkliche Energie zu finden ist? Warum in unserem Kosmos nirgendwo Bewußtsein zu finden ist? Und wie beides zusammenhängt?
- Es ist schier unglaublich, wie zählebig die Urknalltheorie ist. Obwohl Einstein nachgewiesen hat, daß Raum und Zeit gleichzeitig mit der Materie entstanden sein müssen, woraus folgt, daß es keine Expansion im Raum gibt, wird an der Theorie festgehalten – nicht zuletzt aus dem Grund, daß sie eine sehr schöne Grundlage für die ebenso falsche Evolutionstheorie abgibt. Der Raum selbst kann nicht expandieren: Er ist sein eigener Maßstab. Wohinein sollte er denn expandieren? Solchen Fragen weigert sich die Wissenschaft nachzugehen („Das bringt nichts!“). Man will mit aller Anstrengung teleologische Theorien, die einen Schöpfergott wieder denkbar, ja sogar wahrscheinlich machen, vermeiden: Also muß alles durch ausdifferenzierende blinde Selbstorganisation (ohne Selbst!) entstanden sein. Man will die Erkenntnis verhindern, daß ein bewußter Wille hinter der Weltentstehung steht.
Gegen die Evolutionstheorie habe ich eigene Arbeiten verfaßt. Hier nur der mir wichtigste Kritikpunkt, der zugleich mithelfen soll, den Status der Naturwissenschaft als Mythos aufzuzeigen. Die Evolutionstheorie will erklären, und „erklären“ bedeutet „einen toten Mechanismus aufzuzeigen.“ Aus diesem Grund mußte die Möglichkeit eines Willens in der Natur unter den Tisch fallen – ja sogar die Unterscheidung zwischen Totem und Lebendigem zugunsten des Toten. Man war also bereit, selbst dem Menschen – sich selbst – jeglichen Willen, ja sein Bewußtsein, also die Fähigkeit zum Theorienschmieden, abzusprechen, nur um den Drang nach mechanistischer Erklärung nicht aufgeben zu müssen.
Die Naturwissenschaft ist retrospektiv: Den Zukunft schöpfenden Willen kann sie nicht entdecken, aber alle Alternativen ignorierend kann sie rückblickend einen determinierten Mechanismus aufdecken: So wird aus dem Wollen ein Müssen.
Diese Tabus – ich könnte Dutzende weitere aufzählen – sind nicht gesellschaftlich bedingt. Es gibt die von Berger und Luckmann postulierten Wächter über die Wirklichkeit – Menschen höchster Bewußtheit! Täglich erzählen sie uns via ihrer Medien wie Schulen, Universitäten, Zeitungen und Fernsehen ihre Mythologie.
Die geistige Offenheit läßt Eingriffe in die operational physikalisch geschlossene Welt zu. Aus diesem Grund bleibt das Wirken der Weltschöpfer verborgen. Es kann empirisch nicht erforscht werden, nur kognitiv erkannt. Wer sich an die wissenschaftliche Methode hält, kann das Tun der „Wirklichkeitsbestimmer“ nicht entdecken. Siehe mein Beispiel mit dem Filmprojektor! Wer hinter jeder Aktion stets blinde Naturkräfte sieht – wie könnte er jemals Bewußtsein und Wille entdecken?
- Kritik
In meinem ersten längeren Zitat aus Roths Arbeit (s. S. 2) habe ich den Begriff ’stammesgeschichtlicher‘ und einige Zeilen drunter einen ganzen Absatz mit Fettdruck hervorgehoben, weil ich schon hier auf einen möglichen Widerspruch gestoßen bin. Einerseits zeigt Roth sehr plausibel auf, daß ‚Zeit‘ für das ‚reale Gehirn‘, eine ’notwendige kognitive Idee und keine erfahrbare Wirklichkeit‘ sei; andererseits spricht er von Stammesgeschichte. Er verwendet einen zeitlichen Begriff zur Beschreibung eines Gehirns, das der Zeit nicht unterworfen sein kann, weil es ‚Zeit‘ ja erst konstituiert! Ein Gehirn, das, wie Roth schreibt, ’nur konstruieren kann‘, also ein reales Gehirn, das ‚Zeit‘ konstruiert, kann sich nicht stammesgeschichtlich entwickelt haben! – Es sei denn, und das ist meine Theorie – es gibt zwei Zeiten: eine zyklische Zeit, in welcher das reale Gehirn das kognitive Hirn samt linearer Zeit konstruiert! Genauer:
- Es gibt interne Strukturumwandlungen im kognitiven System, bei denen Wirkungen in Rückkopplungsschleifen auf ihre Ursachen zurückwirken (zyklische Kausalität wie bei autopoietischen Systemen). Damit werden vergangene Zustände (Strukturen) in die Gegenwart einbezogen, und es entsteht ein ausschließlich in der Gegenwart existierendes sich ständig umwandelndes System, das in sich und für sich zeitlos, also ewig, ist.
Man bedenke auch, daß die physikalische Zeit an das Licht gekoppelt ist: Materielle Kreisläufe (zyklische Prozesse) sind demnach auch zeitliche Kreise – im Gegensatz zur linearen Zeit oder dem Zeitpfeil, der methodisch aus dem 2. Thermodynamischen Gesetz abgeleitet wird.
- Nur einem außenstehenden Betrachter (einem zweiten System), der aufgrund einer Methode in dem o.g. ‚Gebrodel‘ eine Folge von unterschiedlichen Strukturen beobachten kann, erscheinen diese innigen Umwandlungen des betrachteten ewigen Systems einem Zeitpfeil unterworfen und damit ’stammesgeschichtlich‘. Dabei erweist sich die physikalische Zeit – Zeitpfeil – als Resultat der Methode. Nur Roths ‚kognitives Gehirn‘ ist der physikalischen Zeit unterworfen, aber genau dieses konstruiert nicht, denn es ist bereits Konstrukt!
Dann habe ich das Begriffspaar ‚wahrer Herkunft‘ fett hervorgehoben (s. S. 3). Hier schreibt Roth ganz richtig, daß das reale Gehirn als abgeschlossenes System die wahre Herkunft eines Signals nicht kennen kann und sie deshalb (re-) konstruieren muß. Diese Aussage steht im Widerspruch zu später gemachten Aussagen, bei denen er wie selbstverständlich von einem ‚materiellen realen Gehirn‘ (s. S. 9, Zitat (275)) das sich evolutionär entwickelt habe usw., schreibt. Roth beschreibt die reale Welt, als wäre sie deckungsgleich mit der kognitiven Welt. Und in Roths so beschriebener realen Welt ist die wahre Herkunft eines Signals deutlich sichtbar!
Die Zitate (233) und (234) (s. S. 3) sind mit Vorsicht zu genießen, da sie im Widerspruch zum Zitat (15,16) (s. S. 2: „Dieses kognitive Subjekt ist natürlich nicht der Schöpfer der kognitiven Welt …“) stehen. Roth schreibt von einem ‚Ort im Gehirn‘, von einem ‚Hinterhauptskortex‘, von neuronalen Signalen‘. All diese Beschreibungen sind ausschließlich auf das kognitive Gehirn bezogen. Lt. Zitat (15,16) – siehe oben – wissen wir jedoch, daß das kognitive Hirn nicht selbst denkt, keine Signale verarbeitet, sondern Produkt ebendieser Tätigkeiten – des realen Gehirns – ist.
Was Roth im Zitat (238) den ‚vielen Wahrnehmungstheoretikern‘ vorwirft, werfe ich auch ihm vor: Auch Roth hat auf unzulässige Weise zwei ‚ontologisch völlig unterschiedliche Welten‘ miteinander vermengt – wie ich noch verdeutlichen werde. Roth beschreibt das reale Gehirn identisch mit der Beschreibung des kognitiven Gehirns.
Von welchem Gehirn spricht Roth im Zitat (246) (s. S. 6)? Er spricht von evolutiver Größenzunahme des Gehirns. Es kann also nur das kognitive Hirn gemeint sein; ich fürchte jedoch, Roth meint das reale Gehirn. Ich hege den starken Verdacht, Roth glaubt an die Existenz einer realen Welt, die der kognitiven Welt, was Raum, Zeit, Energie, Materie, Bewegung usw. betrifft, identisch ist. In dieser realen Welt sei der Mensch mit seinem realen materiellen Gehirn evolutiv entstanden. In diesem Gehirn gebe es nun ein materielles neuronales Netz, welches Träger eines kognitiven Gehirns sei, in welchem nun eine kognitive Welt samt kognitivem Hirn konstruiert wird. Roth hat, wenn meine Vermutung stimmt, die naive Welt des ‚kritischen Realismus‘ in genialer Weise mit konstruktivistischen Mitteln und Methoden zerpflückt, hat sie aber durch ein Hintertürchen wieder eingeführt, wodurch er sich nachträglichen aller neuen Einsichten wieder beraubt hat. Der einzige Unterschied zwischen dem ‚kritischen Realismus‘ und Roths ‚Konstruktivismus‘ ist der, daß Roths Theorie konstruktiv(istisch)e Kritik ins Leere laufen läßt!
‚Zufällig‘ bekam ich, nachdem ich Obiges geschrieben hatte, die neuesten Ausgabe von ‚Bild der Wissenschaft 10/98 in die Hände und las auf Seite 73 in einem Interview von Gerhard Roth 10: „Ich bin überzeugt von der Existenz einer Welt außerhalb unseres Bewußtseins, einer Welt, in der Tiere und Menschen leben, die ein Gehirn haben. Die objektive Welt erregt die Sinnesorgane dieser Tiere und Menschen. Ihre Gehirne machen daraus etwas, und ich bin ein Konstrukt dieser Gehirne, einschließlich meines eigenen.“ Dieses Zitat belegt die Richtigkeit meines Verdachts – und meiner Behauptung, daß Roth wieder in ‚vorkonstruktivistische‘ Denkmuster zurückgefallen ist und sich (und alle, die ihm nacheifern) um die Früchte dieser Philosophie gebracht hat. (Mit dem Begriff ‚zufällig‘ will ich andeuten, daß eine gewisse kognitive Offenheit mir hier auf irrationalem Wege Informationen zukommen ließ!)
Im Zitat (259) – s. S. 8 – schreibt Roth, sich auf Maturana beziehend, daß ein autopoietisches System materiell und energetisch offen, kognitiv jedoch geschlossen sei. Diese Aussage stützt meinen oben geäußerten Verdacht, denn nur im Szenarium des Kritischen Realismus (den Roth angeblich konstruktivistisch hinterfragt hat) gilt, daß das materielle Gehirn materiell und energetisch im Austausch mit der materiellen Umwelt steht, und daß die Nerven durch ihre kybernetische Tätigkeit intern eine geschlossene kognitive Welt konstruieren.
Maturanas Aussagen über die Strukturelle Kopplung‘, über die ein operational abgeschlossenes System mit der Umwelt verbunden ist, (260/261) – siehe auch S. 8 Mitte- beurteilt Roth als ‚problematisch‘. Roth weist nach, daß das o.g. System von der Umwelt determiniert wird und deshalb nicht abgeschlossen sein kann. Nur die Kognition sei abgeschlossen, weil sie auf einer anderen Ebene, als materielle Prozesse, stattfinde. Maturana sieht Materie und Kognition auf derselben Ebene (wie auch ich): „Leben ist Kognition!“ Die Außenwelt, der eigene Körper samt Gehirn und die Gedanken und Gefühle sind nach Maturana allesamt Resultate kognitiver Plausibilitätsberechnungen des ‚realen Gehirns‘. Nur aus diesem Grund wird in seiner Philosophie die strukturelle Kopplung nötig.
Ich löse das Problem, indem ich sage, daß es eine Umwelt gar nicht gibt. Es gibt nur andere Wesen (Seelen), die – weder räumlich, noch zeitlich, allerdings seinsmäßig – von mir getrennt sind, mit mir in Resonanz treten und Störungen hervorrufen können (Resonanzstörungen treten innen auf; sie kommen nicht als ‚Information‘ von außen herein.) und mich bei der Konstruktion meiner kognitiven Welt dazu bringen (aus Plausibilitätsgründen), fremdgesteuerte Wesen und eine Außenwelt zu projizieren.
Im Zitat (275) – s. S. 9 – wird deutlich, daß Roth reale und kognitive Welt gleichsetzt. Er schreibt: „Das materielle, reale Gehirn“! Materie, als bildnerisches kognitives Produkt, wird hier als Attribut des realen Gehirns bezeichnet. Für Roth gibt es eine unzugängliche und eine zugängliche materielle Welt, wobei die unzugängliche reale Welt Träger der zugänglichen kognitiven Welt ist. Die Autopoiese gilt nur in der realen Welt; die kognitive Welt ‚leide‘ nicht am Zwang, das Überleben des Systems gewährleisten zu müssen und brauche keine Autopoiese. Mit diesen Äußerungen hat Roth sämtliche weltanschaulichen Errungenschaften wieder zunichte gemacht und ist an seinen Ausgangspunkt (siehe Zitate (229) und (231) auf Seite 1) zurückgekehrt. Er hätte sich seinen philosophischen Ausflug sparen können. Was nützt es, eine Erscheinungswelt scharfsinnig zu hinterfragen und hinter den Erscheinungen eine ‚andere Realität‘ zu erschließen, wenn man diese ‚andere Realität‘ dann in Ermangelung passender Worte wieder genauso beschreibt, wie man die Erscheinungswelt beschrieben hat? Ich finde, man sollte eine Frage lieber offen lassen, statt sie mit Scheinantworten in der Versenkung verschwinden zu lassen.
- Gibt es eine Realität hinter der realen Welt (Seele)?
In diesem Kapitel möchte ich meine Theorie von der Inexistenz einer Realitätsebene hinter der Ebene unserer Seelen untermauern. Letztens erhielt ich einen Brief, in welchem ausgeführt wurde, daß das gesamte Universum „unmöglich in meinem Kopf“ sein könne; ich solle mir nur einmal die unglaubliche Komplexität eines einzigen Planeten oder einer einzigen Sonne vorstellen. Und es gäbe im Universum Milliarden und Abermilliarden von Sonnen und Planeten. Und jede Atombewegung all dieser Himmelkörper müsste von einem Zustand meiner Seele repräsentiert sein! Unmöglich! Also müssen die Seelen in einer übergeordneten Welt schwimmen – jene Welt, die unsere Seelen, bzw. Roths „reale Gehirne“ dann intern zu simulieren versuchten.
Meine Entgegnung soll nun lauten: Ich glaube, unsere Seelen sind die letzte Ebene (oder die erste – wie man will). Allerdings gibt es verschieden große Seelen. Die Seele einer Mücke ist kleiner, als die eines Elefanten. Also gibt es auch eine größte Seele, die ich „Gott“ nennen möchte, und dessen Wille alle anderen Willen dominiert. All diese Seelen sind – da raum- und zeitlos – nicht räumlich getrennt, sondern bilden eine Art holographisches Universum, welches unterschiedlich deutlich wahrgenommen wird. Alle Seelen hängen kybernetisch zusammen und können einen Gesellschaftstraum aufbauen. Dieses alokale, atemporale, in potentia multidimensionale, holographische Seelenkomposium erachte ich für die einzige Realität. Sie ist das Urchaos der alten Mythen, aus denen die Welt hervorgegangen ist. Das materielle Universum ist nun eine Rahmen-Bild-Konstruktion aus dieser Realität, wobei aus ihr mehr oder weniger willkürlich Hintergründe (4, 5 oder mehrdimensionale Raumzeitkontinua) und davon abhängige Vordergründe (Erscheinungswelten) nach mehr oder weniger intelligenten Plausiblitätserwägungen, die die Seelen anstellen, konstruiert werden. Jede Seele hat sich unterschiedlich viele dieser möglichen Dimensionen erschlossen (wobei ich anmerken möchte, daß die Dimensionen vor der Erschließung nicht existiert hatten. Sie werden im Prozeß des Erschließens erst erfunden).
Ich erinnere an meine Ausführungen über die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, welche beweisen, daß die geistigen Strukturen feiner, als die physikalischen und darum deren Träger sind.
Inwiefern ist Gottes Traum für uns äußere, objektive Realität? Ich würde sagen, sein Traum dürfte der Komplexeste, Gescheiteste, sein. Und wenn wir bewußter werden (s. „Magie2“), werden wir Träume ähnlicher Komplexität erreichen. Da ich denke, daß wir Menschen keine Solipsisten sind, werden unsere Träume mit den Göttlichen irgendwie wechselwirken; wir werden mit diesem Traum einen Gesellschaftstraum träumen. Ich stelle mir jetzt vor, daß bei diesem Komplexitätsgrad auch Probleme sichtbar werden, für die wir Heutigen noch keine Antennen haben: vielleicht den großen Kampf zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis. Es ist wie beim Erwachsenwerden: Ein Kind fragt sich nicht, wo das Mittagessen herkommt; der Erwachsene muß sich darum sorgen. Der Jugendliche weiß nichts vom Krieg hinter den politischen Bühnen; wird er intelligenter, beginnt er ihn wahrzunehmen. Wie soll dein Geist wachsen, wenn er nicht an kompetenten Widerständen geschult wird? So stelle ich mir die Aufnahme geistiger Nahrung vor, die unser Geist wachsen läßt: Feindliches befrieden, integrieren. Dann kommt das nächste Unverstandene, Feindliche auf uns zu usw.
Was bedeutet dies für die eingangs dieses Kapitels gestellte Frage? Ich vermute, die oben postulierte schier ungeheure Komplexität der Erscheinungswelt beruht auf einem Irrtum, nämlich dem, zu objektivieren: Wir glauben, etwas sei auch dann da, wenn man es nicht beobachtet. Wir versenken unsern Blick in ein Detail. Dieser Blick ruft eine detaillierte Erscheinung hervor. Nun werfen wir unsern Blick auf ein Detail dieses Details. Wieder erschafft der Blick eine noch detailliertere Erscheinung usw. Nun verobjektivieren wir die mannigfaltigen Erscheinungen, indem wir behaupten, die Details seien auch da, wenn wir sie nicht mittels unserer Blicke hervorgehoben hätten. Das ist unzulässig.
- Schluß
Der Radikale Konstruktivismus ist ein hervorragendes Konzept, mit dessen Hilfe wir uns und die Welt besser verstehen und verändern lernen können. Besonders wertvoll daran ist, daß er die Welt nicht nur im Nachhinein ‚erklärt‘, was den Fortschritt hemmen würde, sondern uns auch Mittel in die Hände legt, unsere Zukunft zu kreieren. Die Zukunft kommt nicht einfach; sie wird gemacht! Wir können unsere Mythen verwirklichen – materialisieren -, wenn wir (unsere Bewußtseine) es schaffen, in diejenigen Bereiche unseres eigenen Geistes vorzudringen, in denen z. B. die sog. ‚Naturgesetze‘ konstituiert werden. Dann könnten wir zu Magiern – Kreatoren – werden. Roth ist, vielleicht zu Recht, vor der Verkündung dieser Konsequenzen zurückgeschreckt und hat womöglich deshalb den ihm von mir vorgeworfenen Fehler gemacht – um möglichst viele Studenten seiner Werke nach einem kurzen Ausflug in die Fremde wieder in den sicheren Hafen der sog (!) empirischen Naturwissenschaft zurückzuführen, damit sie nicht aus der sozialen ’symbolischen Sinnwelt‘ bzw. der konsensualen ‚kognitiven Welt‘ herausfallen. Ich selbst kann nicht verhehlen, schon seit Jahren Experimente mit dem neuen Konzept (in der von mir selbst entdeckten Ausformung) zu machen, um die Aufmerksamkeit der Kreatoren auf mich zu lenken. Trotzdem ist mir etwas mulmig dabei zu Mute, da Berger und Luckmann deutlich geschrieben haben, was die ‚Hüter der Wirklichkeitsbestimmung‘ mit denjenigen anstellen, die Konkurrenzsysteme zur bestehenden Sinnwelt errichten. (Und wer eigene Augen im Kopf hat, kann dies auch selbst beobachten). Diese Angst verhindert in der Regel das tiefere Eindringen in diese neue Philosophie, die uns das Grauen lehren kann, wenn wir uns wirklich darauf einlassen. Ich kann bestätigen, daß Berger und Luckmann mit ihrem Statement, daß ‚jede Gesellschaft eine Konstruktion am Rande des Grauens‘ sei, (s.S.10) recht haben. Tief in unseren Unterbewußtseinen ruhen Gespenster, die geweckt werden könnten, und nicht jeder hat die Mittel, mit diesem Spuk fertigzuwerden.
Fußnoten
1) Gerhard Roth: „Erkenntnis und Realität: Das reale Gehirn und seine Wirklichkeit“, sowie „Autopoiese und Kognition: Die Theorie H. R. Maturanas und die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung“ in Siegfried Schmidt (Hrsg.): „Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus“ suhrkamp, 1986
2) Peter L. Berger / Thomas Luckmann: „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit – Eine Theorie der Wissenssoziologie“. S. Fischer Verlag
3) Dargestellt als komplexes argumentatives Netzwerk in verschiedenen Arbeiten, hier relevant: „Konstruktion der Wirklichkeit“, „Die Philosophie Thomas Kuhns“, u.a.. Ich lege Wert darauf, daß sich alle meine Arbeiten gegenseitig ergänzen und nicht widersprechen., um eine Aufsplitterung meines Geistes zu vermeiden.
4) Fettdruck: immer Hervorhebung von mir.
5) Roth – Zitate übernommen vom Aufsatz von Siegfried J. Schmidt – s. Fußnote 1.
6) Diese Aussage werte ich als Bestätigung der Theorie von Berger/Luckmann und meinen Ausführungen über die „Kreatoren“. – s. Kap. 5
7) Nach Siegfried Schmidt in: siehe unter 1)
8) Siehe meine Arbeit: „Die Philosophie Thomas Kuhns“ – Fußnote 3) und Thesenpapier in der Anlage
9) Prof. Wolf Singer: „Dialog der Gehirne“ in: Bild der Wissenschaft Nr. 17/1997, S. 68
10) Vgl. mit Zitat 238/238, Seite 4, wo Roth über das Paradoxon der unendlichen Spiegelungen des Gehirns in sich selbst schreibt.
11) Z.B. auf S. 104 ihres Werkes (s. Fußn. 2): vgl. auch S. 7. Pkt 3 dieser Arbeit
12) Gerhard Roth: „Das Gehirn weiß wenig von der Wirklichkeit“ in Bild der Wissenschaft 10/98
Hans-Joachim Heyer, Version v. 12.11.2000 (9703 Wörter)
Hier fand ich zufällig meinen Text wieder: http://www.hrm.de/SITEFORUM?&t=/Default/gateway&i=1169747321057&application=story&active=no&ParentID=1169812876510&StoryID=1178025004419&xref=http%3A//www.google.de/search%3Fq%3DGerhard+Roth+Heyer%26ie%3Dutf-8%26oe%3Dutf-8%26aq%3Dt%26rls%3Dorg.mozilla%3Ade%3Aofficial%26client%3Dfirefox-a
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