Im Folgenden versuche ich eine Nacherzählung der Seiten 238 bis 242 des Buches „Du musst dein Leben ändern“ von Peter Sloterdijk, verschmolzen mit meinen Gedanken, die von der Lektüre ausgelöst wurden. Ich beschreibe hier also meine geistige „Nahrungsaufnahme“, zeige, was ich verworfen, was ich aufgenommen und was ich in eigene seelische Substanz umgewandelt habe. Der Aufsatz beschreibt nebst der inhaltlichen Auseinandersetzung auch meine Lesemethode.
Sloterdijk beschäftigt sich mit dem französischen Philosophen Michel Foucault, dem aufgefallen war, dass die französischen linken Intellektuellen gar keine echten Intellektuelle waren, da sie in ihren Diskursen nie die „Breite“ des materialistischen Systems – die flache Erde – verlassen haben. So schrieb er, er habe in seinem Leben noch nie einen Intellektuellen getroffen, und so machte er sich auf den Weg, das Echte zu suchen.
Er fand durchaus Menschen, die sich mittels Versuchen, das Irdische zu transzendieren, von den Fundamenten der (materiellen) Existenz erfolgreich trennten, aber diese Trennung vom Boden der Tatsachen mündete nicht etwa in eine echte Transzendenz, sondern in eine tragische „Transdeszendenz“, eine „Verstiegenheit“ vor dem Absturz vom vermeintlichen Gipfel, und ihre komplette geistige Arbeit hatte allein der Erreichung der nötigen Fallhöhe gedient.
Als Ursache des Scheiterns fand er mangelnde menschliche („überlegene“) Reife. „Man kann das „Bestehende“ nicht unterwandern, sondern nur überwandern!“
Foucault erkannte, dass er in seiner ersten Schaffensperiode ebendiese Unreife bewiesen hatte, aber als er nach einer langen Schreibpause (und Reifungsphase) die Arbeit wieder aufnehmen konnte, erkannte er klar, was zu tun war. Er hatte sich als „Mann der Vertikalen“ – und nicht der Verstiegenheit erkannt.
Foucault hatte das Kreuz wiederentdeckt! (Mein Einschub.) Der horizontale Balken symbolisiert das materialistische Denken und Wahrnehmen der „Flacherdler“ und der vertikale Balken, der Träger des horizontalen Balkens (!), symbolisiert das vertikale Streben, Denken, Fühlen und Leben. Der vertikale Balken braucht – damit sich die Sucher nicht im Irrsinn versteigen – einen Aufhängepunkt, nämlich Gott – was Umberto Eco sehr schön in seinem Buch „Das Foucaultsche Pendel“* erklärte: Der Aufhängepunkt** des Pendels sei – da ohne Raum und ohne Materie – außerhalb der Welt, mache demzufolge die (karmischen) Bewegungen der Welt nicht mit und symbolisiere deshalb einen Standpunkt über der Welt: den göttlichen Standpunkt, den echte Gottessucher (als Kinder und Erben Gottes) einzunehmen streben, indem sie in ihrem Geist eine Vertikale schaffen (wie die Jakobsleiter (s. Aufsätze der letzten Tage)), die ihnen den Aufstieg ermöglicht.
Um sich nicht zu versteigen, ist es notwendig, sich mit der Wahrheit, Gott, zu verbinden. Als Atheist hat man kaum die Chance, die Welt zu überwinden, ohne hernach tragisch abzustürzen. Sloterdijk hatte an irgendeiner Stelle geschrieben, man müsse, wenn man geistige Höhen einnehme, stets seinen Körper mitnehmen. (Auch er muss essen und aufs Klo gehen, selbst wenn er Gotteserlebnisse hat.) Für mich war das ein Eingeständnis des Scheiterns, dem aber auch ich noch nicht entronnen bin. Es sind noch Einsichten zum Tod nötig.
Doch nun zum Eigentlichen, weshalb ich heute Morgen überhaupt diesen Aufsatz schreibe. Es gibt nämlich einen Bezug zur aktuellen Politik. Auf Seite 241 schreibt Sloterdijk, Michel Foucault erklärend, dass ihn – Foucault (und Sloterdijk) – die antiautoritären Reflexe der „Flacherdler“ immer mehr zuwider gingen. Sie waren in ihrem Verlangen, völlig anders zu sein (als das Establishment) in einer völlig veränderten Welt, grandios gescheitert. Das wurde Foucault klar, als er erkannte, dass die Machtspiele der Mächtigen zwar das antiautoritäre Streben bekämpften, aber auch erst ermöglichten. Erst das Unrecht der Mächtigen erweckt den Drang der Sklaven nach Gerechtigkeit, erst der Materialismus der Mächtigen erweckt die Sehnsucht nach „oben“ zu Gott. So kam Foucault zum Schluss: „Natürlich kann man die Individuen nicht befreien, ohne sie zu dressieren!“
Unsere aktuelle Politik erfüllt exakt die obengenannte Bedingung: Sie ist, um es kurz und knapp zu formulieren, brutal satanisch bösartig, um möglichst viele Menschen aus ihrer Tagesschau- und Amtskirchen-Hypnose aufzuwecken, damit sie sich dem Licht der Wahrheit Gottes zuwenden.
Auf Seite 242 entlarven Foucault und Sloterdijk die Frankfurter Schule unter Adorno und Horkheimer, die eine ganze Generation jüngerer Intellektueller mit ihren Ungereimtheiten und plumpen Kitsch verdarben, indem sie dieses disziplinierte Streben nach oben mit ihrer „Dialektik der Aufklärung“ als „Selbstunterdrückung“ und sonstigem psychopathischen Unsinn interpretierten. Die Konsequenzen dieser Zersetzungstechnik können wir nun bei den Linken und Grünen im Bundestag bestaunen (oder vielmehr bemitleiden).
*von Leon Foucault, einem „Namensvetter“ von Michel Foucault. Ich glaube, beide sind nicht miteinander verwandt.
**Auf diesen Punkt rekurriert auch die (ungefälschte) Quantenphysik, zB wenn sie von „Nullpunktenergie“ und Quantenverschränkung spricht. Der Punkt symbolisiert die Inexistenz des Raumes, die bewiesen wurde durch die unmittelbaren Verbindungen von allem mit allem, woraus wiederum geschlossen wird, dass das reale Universum aus nichts als Information – bewusstem Geist – besteht.