Hans-Joachim Heyer

Geist und Sport (9)

Ich als Hobbyschachspieler verfolgte mit Interesse die Schacholympiade, die heute Mittag zu Ende ging. Der Kommentator einer Partie sagte in Minute 11:58 den mir lehrreichen Satz, der Spieler überlegte vermutlich nicht, was er ziehen sollte, sondern er verbrauchte Zeit, um sich zu erinnern, was er in früheren Analysen herausgefunden hatte.

Dieses intensive Erinnern ist m.E. eine meditative Übung, wie ich sie vor einigen Wochen beim Snookerspiel und vor 42 Jahren beim Radrennen praktiziert hatte. Es sind Übungen der Verbindung des Tagesbewusstseins mit tieferen Schichten des Seins.

Ich hatte mir einen Mini-Snookertisch (140 x 70) samt Zubehör für 80 € gekauft und erforschte beim Üben die beste Methode des Zielens und Stoßens. Dabei machte ich die Entdeckung, dass ich bloß den Zielpunkt genau anvisieren musste, also den Punkt, an dem die weiße Kugel die rote oder farbige treffen sollte; die Haltung des Queues, also die Erlangung des richtigen Winkels, überließ ich ganz dem sog. „Unterbewusstsein“. Ich war überrascht, dass diese Methode so gut funktionierte.

Ich wurde an meine Zeiten des Radrennens erinnert. Auch beim Radrennen gibt es dieses Zusammenspiel des rationalen Tagesbewusstseins und des Unbewussten. Ich erlebte – auch überraschend – dass der Körper autonom handelte, und das Tagesbewusstsein bloß für die Taktik zuständig war. Ich erlebte, dass der Körper wie von alleine das Rennen fuhr, und ich als Bewusstsein war fast nur ein passiver Beobachter.

Wie beim Snooker. Das Unbewusste zielt und trifft; ich muss ihm bloß genug Zeit geben und sozusagen den Befehl erteilen, welche Kugel in welches Loch zu befördern sei.

Nicht anders ist’s beim Schachspiel. Das Schachwissen ist ins Unterbewusstsein abgesunken, und man übt, es wieder ins Tagesbewusstsein zurückzuholen. Der „Datenspeicher“ im Unterbewusstsein scheint unendlich groß zu sein. Ist er die sog. „Akashachronik“, in welcher alles Weltwissen gespeichert ist?