Kurz nach Abschluss meines Studiums der Kunst des Vermessungsingenieurs kam ich als Dipl. Ing. im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) in die heimatliche Kreisverwaltung, wo ich zusammen mit einer Doktorin der Philosophie, die ihr Studium wie ich gerade beendet hatte, in eine Abteilung für Denkmalschutz, in der wir alte Napoleonische Landkarten nach alter Bausubstanz, die heute noch existieren könnte, absuchten. Ein Dritter im Bunde war ein ehemaliger Technischer Zeichner, ein fotorealistischer Maler fantastischer Welten, der sich fernöstlicher Religionen verschrieben hatte.
Die Arbeit, für die wir bezahlt wurden, war unwichtig und nebensächlich, aber unsere Gespräche waren fruchtbar und tragen Frucht für das Land bis zum heutigen Tag. Damals konnten wir das aber noch nicht wissen.
Philosophisch war ich damals noch völlig unbeleckt, aber ich erinnere mich, dass es mir völlig unverständlich war, dass die Philosophin sagte, sie habe keine eigene Philosophie, keine eigene Meinung zu irgendeinem Thema. Sie wisse, was Platon, Aristoteles, Sartre, Jaspers, Kant, Hegel, Schelling, Fichte und so weiter und so weiter geschrieben haben; sie kenne die Problematiken, aber sie habe aus allem die „Essenz“ abgeleitet, dass es auf jede Frage unendlich viele unterschiedliche Antworten gebe. Es gebe nicht >die eine Wahrheit<, sondern viele Wahrheiten, so viele wie es Menschen gibt. Ich konnte mich mit dieser Antwort nicht abfinden.
Erst jetzt fällt mir auf, dass der Künstler in unserer Runde in gewisser Weise ähnlich war: Er, der mit einem Koffer voller Nietzschebücher und dem Kopf voller Nietzschephilosophie nach Indien getrampt war und dort diese Last abwarf, nachdem er seinem Guru begegnet war, versuchte mir zu erklären, wie glücklich er wurde, als er die Last endlich losgeworden war und ohne Philosophie, ohne Weltanschauung, ohne Vorurteile, und ohne Wissenschaft völlig „entlernt“ die Realität sehen lernte.
Auch seine Ausführungen waren mir völlig unbegreiflich! Ich stellte beiden meine Philosophie entgegen, der Sinn des Lebens sei, an seiner Philosophie zu arbeiten. Die Philosophin gab damals philosophische Volkshochschulkurse, die ich besuchte, und dort wurde eine >kleine Weltgeschichte der Philosophie< behandelt. Ich suchte mir von allen Philosophen immer nur Anregungen für eigene Gedanken; niemals übernahm ich etwas, das nicht in mein System passte. Der Philosophien war meine Methode unbegreiflich.
Am Ende unserer AB-Maßnahme hielt ich den Künstler, der sich für unwissend hielt, für weise und die Philosophien für eine unpersönliche wandelnde Bibliothek.
Im Rückblick muss ich sagen, dass ich damals mit ca. 24 Jahren schon philosophiert haben muss, obwohl ich mich kaum erinnern kann. Sicher ist, dass ich damals schon an einer eigenen Lebensphilosophie gearbeitet habe. Als ich kurze Zeit später bei einem Ingenieurbüro angestellt wurde, las ich jedenfalls begeistert Nietzsche und Schopenhauer in den Mittagspausen.
Ich hatte damals Minderwertigkeitskomplexe, ich war unzufrieden mit mir und hatte viele Zukunftsängste. Als mich nach fünf Jahren im Ingenieurbüro mein Chef vorsichtig ansprach und vermutlich herausfinden wollte, wie ich psychisch auf meine Kündigung reagieren würde, antwortete ich zu meiner eigenen Überraschung spontan, laut und bestimmt: „Mir kann NICHTS passieren!“ Ich war selber erschrocken über diese Worte, und ich fragte mich, woher ich diese Gewissheit und diese Worte hatte. Hatte ICH das gesagt?
Heute weiß ich, dass nicht ICH das gesagt hatte, sondern jemand in mir, jemand, der die Regie längst übernommen hatte. Heute weiß ich, dass ich dieses Erlebnis der Tatsache verdankte, dass ich meine eigene Lebensphilosophie entwickelte. Diese Philosophie brachte mein ICH an den Punkt, an dem die Gedanken die Welt verändern.
Bevor ich diese kreative Kraft wirklich kennenlernen konnte, gab es allerdings noch viele Hindernisse, die diese Kraft ausbremsten. Die Kraft wurde erst machtvoll, als ich entdeckte, dass der universale Weltgeist, den ich bereits entdeckt hatte, selber ein ICH hat und eine PERSON ist. Vorher war ich allzusehr in Esoterik und deren Vorstellung eines unpersönlichen Weltgeistes (Äther), den man (egoistisch) frei programmieren könne, verstrickt. Diese „Freiheit“ brachte mir nur Sünden – geistige Widersprüche – ein, die mich lähmten.
Erst 2015, als ich mich zum Christentum bekehrte, die Bibel als das >Wort Gottes< erkannte und Gottes Wege und Gedanken erfahren und gehen lernte, kam ich wirklich an den Punkt, an dem die Gedanken bis an die Grundfesten der Welt rührten. Als ich an den Punkt gekommen war, an dem meine philosophischen Erkenntnisse nichts anderes mehr KONNTEN, als mich zu verändern, änderte sich nicht nur mein ich, sondern auch die Welt sich.
Die Welt ist Interpretation, und wenn man seine Lebensphilosophie ändert, ändert sich die Welt. Es ist KEINE objektive Welt! Irgendwie hatte das damals schon die Philosophien gesagt; die Welt der Physik, bzw. der Wissenschaft, ist bloß eine Brille, und jeder Philosoph hat eine andere Brille. DAS wollte mir die Philosophin damals erklären. Sie hatte viele Brillen. Der Künstler hatte versucht, seine letzte Brille abzunehmen; er wollte ohne Brille die Wahrheit sehen und leben. Ich aber habe meine eigene Brille aufgesetzt, und dann entdeckte ich die „Brille“ des Jesus Christus, die zum ewigen Leben und zur Reise in andere Universen befähigt.