Ich hatte wieder einmal Besuch von Mormonen, obwohl ich ihnen einige Wochen zuvor versichert hatte, dass ich niemals ihrem Verein beitreten werde. Das Buch Mormon enthalte keinerlei Aussage, die in irgendeiner Weise die Bibel ergänze, sondern sei nichts als eine einfache Nacherzählung einiger biblischer Geschichten auf einem anderen Schauplatz. Die Beiden bestätigten die Einschätzung sogar und verwiesen auf den Untertitel des Buches: „Ein weiterer Zeuge für Jesus Christus“.
Ich sagte daraufhin, dass ich diesem „weiteren Zeugen“ nicht vertraue; ich habe da schon Probleme mit dem „Ersten Zeugen“, nämlich der Bibel, und ich erklärte ihnen meinen langen Weg auf der Suche nach der glaubwürdigsten Bibelübersetzung ins Deutsche. Ich erzählte, wie ich herausfand, dass es mittlerweile verschiedene sogenannte „Urtexte“ gibt, den Mehrheitstext und den von den Bibelwissenschaftlern Nestle und Aland aus anderen, angeblich älteren, Quellen >gefertigen< „Urtext“, vergleichbar mit dem Kampf von Westcott und Hort gegen die King James Bibel von 1611.
Die „modernen“ Übersetzungen erkannte ich als Werke, die dem Zeitgeist näher und demzufolge Gott ferner stehen. Allein das Wort „Bibelwissenschaft“ beweist die Gottferne der sie Praktizierenden, denn der Wissenschaft fehlt die geistige Dimension, die zum Bibelverständnis nötig ist. Wissenschaft ist Weisheit der Welt im Gegensatz zur Weisheit Gottes (s. zB 1 Kor. 2,6-8). Aufgrund meines Misstrauens in menschliche Werke suchte ich nach der vertraunswürdigsten deutschen Übersetzung und fand als Einzige die Lutherbibel von 1545. In ALLEM, was danach kam, vermute ich bereits den Einfluss politischer Interessen von ebensolchen Leuten, wie die in 1. Kor. 2, Vers 8, die Jesus gekreuzigt haben.
Und nun kommt im Jahr 1823 Joseph Smith mit einem Text aus völlig dubioser Quelle, der absolut nichts enthält, was nicht zehnmal besser und vertrauenswürdiger in meiner alten Lutherbibel (oder ihrer KJ1611) steht. Wozu sollte ein Engel zentnerweise beschriebene Gold- und Kupferplatten bringen, auf denen nichts steht, was es in Gestalt der KJ1611 nicht längst schon in jedes Amerikaners Wohnzimmerschrank stand.
Die Mormonen sagten daraufhin, dass Joseph Smith mit der Situation der Christenheit in Amerika sehr unzufrieden war. Sie war gespalten in Hunderte Denominationen, und Smith war verzweifelt auf der Suche nach jener Denomination, die wirklich recht hatte mit ihrer Bibelauslegung. Er habe gebetet um Antwort auf seine große Frage, welcher Denomination er beitreten solle. Und eines Tages erschienen ihm Gott und Jesus Christus als Lichtgestalten, und Jesus sagte, er solle keiner dieser Gemeinschaften beitreten. Er werde ihn zum Gründer der wahren Kirche machen und so weiter. Smith bekam jedoch keine wahre Bibelauslegung, sondern sozusagen eine „neue Bibel“, eine inhaltlich stark gekürzte und vereinfachte Billigversion der KJ1611, spielend auf einer anderen Bühne.
Ich stelle fest, dass das Alleinstellungsmerkmal der „Kirche der Heiligen der Letzten Tage“ einzig eine andere Örtlichkeit, also etwas völlig Weltliches, ist, und dass der Glaube der Mormonen absolut nichts geistlich Lehrmäßiges aufweise, was man nicht auch (und besser!) in der Bibel finden kann. Insofern kann ich die Mormonen zwar irgendwie als Christen anerkennen, aber da sie sich dermaßen auf ihr weltliches, also irrelevantes, Alleinstellungsmerkmal versteift haben, muss ich ihnen ein Fehlverständnis des Christentums attestieren. Es geht nicht darum, ob eine Wahrheit in Jerusalem, Korinth, Galatien oder Amerika gepredigt wird, sondern allein darum, dass es die Wahrheit ist!
Wenn ich Bibel und das Buch Mormon vergleiche, stelle ich fest, dass die Bibel dem Buch Mormon Hundertfach überlegen ist. Die Bibel ist ein Buch, das sich selbst erklärt. Sie ist ein filigranes Gewebe, das durch jedes weitere Wort nur beschädigt, niemals ergänzt oder gar vervollkommnet wird.
Wenn Smith auf der Suche nach einer Denomination, in der die Wahrheit gelehrt wurde, war – warum gab der Engel Smith nicht die Erkenntnis des Wesens von Alleinstellungsmerkmalen: dass sie weltlich, also irrelevant, sind und nur zur Spaltung der Kirche führten und noch führen, weil die Leute nicht verstehen, dass jeder Mensch einen anderen Erkenntnisstand hat und dadurch die Bibel anders auslegt. Es ist eine Unart, jeden gleich in die Hölle zu schicken oder als Irrlehrer zu beschimpfen, bloß weil er die Bibel anders interpretiert und seine Deutung irrtümlich mit der Wahrheit gleichsetzt.
Alle Menschen, die die Bibel und allein die Bibel als maßgeblich in der Welt anerkennen, egal wie sie sie auslegen, sollten sich gegenseitig als Mitglieder der Einen christlichen Gemeinde oder Kirche anerkennen. Alle Alleinstellungsmerkmale sind Auslegungsmerkmale, und da JEDER lernt, ändern sich die Auslegungen ständig. Der Engel hätte Smith den Wert des >Sola Scriptura< in der bösen Welt erklären müssen – wenn er denn ein Engel gewesen wäre! Christ ist, wer das >Sola Scriptura< in der Welt uneingeschränkt als Schutz gegen Desinformation akzeptiert.
Katholiken sind keine Christen, weil sie sich der Bibel nicht unterordnen, (das Papsttum ist ihre Autorität, nicht die Bibel) und die Mormonen sind keine echten Christen, wenn sie ihr zusätzliches, inhaltlich irrelevantes Buch nicht beiseite legen. Weitere echte Feinde des Christentums sind jene, die von weltlichen Interessen und nicht von geistlicher Einsicht gesteuert an den Urtexten der Bibel herumbasteln.