Hans-Joachim Heyer

Steuermodell

6.6.06, neueste Version am 31.3.2010 (s. Kündigungsschutz)

1. Produktion und Nachfrage: Das ökonomische System erfordert Produktion und Nachfrage. Zwischen beiden fungiert das Geld als Tauschmittel. Damit die Wirtschaft floriert, müssen Angebot (Produktion und Dienstleistungen) und Nachfrage (Konsum) in ein optimales Verhältnis gebracht werden. Es wird heutzutage gern vergessen, daß es ohne die Kaufkraft der Bevölkerung keinen Sinn hat, Produkte zu produzieren und zum Kauf anzubieten. Wer die Produktionsbedingungen von Waren verbessert, (was derzeit gemacht wird) muß gleichzeitig auch die Kaufkraft potentieller Kunden erhöhen (, was derzeit abgebaut wird), sonst bleiben die Produzenten auf ihrer Ware sitzen. Wirtschaft ist nicht Industrie allein, sondern Industrie plus Konsum. Wer die Industrie stärkt und den Konsum schwächt, schwächt die Wirtschaft als Ganzes.

Die Differenz zwischen Angebot und Nachfrage soll ungefähr Null sein. Ist sie ungleich Null, muß beim Überwiegen des Angebots die Überproduktion als Schwächung in die Berechnung der Wirtschaftskraft eingerechnet werden, denn viele Produzenten bleiben auf ihrer Ware sitzen und müssen trotz Mehraufwand die Preise verringern. Beim Überwiegen der Nachfrage hingegen steigen die Preise der Angebote, was einer Einkommensminderung der Konsumseite gleichkommt. Also auch hier eine Minderung der Gesamtwirtschaftskraft.

2. Arbeitsplatzvernichtung durch Fortschritt: Es muß die Tatsache in Rechnung gestellt werden, daß technische Innovation und Massenproduktion, also der ganz normale Gang des ökonomischen (wissenschaftlichen und technischen) Fortschritts, notwendig Arbeitsplätze vernichtet (Arbeitsplatzvermehrung gibt es ausschließlich bei ausreichender Verengung des Betrachtungsfokusses – zB auf eine nationale Ökonomie. Dies können wir uns jedoch bei einer Betrachtung globalen Ökonomie nicht leisten). Es ist ein Irrtum, anzunehmen, ökonomischer Erfolg schaffe Arbeitsplätze. Wenn in einem Umfeld wirtschaftlichen Fortschritts an einer Stelle Arbeitsplätze geschaffen werden, fallen an anderen Stellen mehr Arbeitsplätze weg. Wäre es anders, wäre es kein Fortschritt, sondern Rückschritt. Würde eine „Innovation“ ausschließlich Arbeitsplätze schaffen und anderswo keine höhere Zahl an Arbeitsplätzen vernichten, wäre die „Innovation“ in Wahrheit eine Effizienzverringerung.

3. Gewinnsteuer: Das Wirtschaftssystem kann nur funktionieren, wenn es ein Kreislaufsystem ist, in dem das von den Reichen angesammelte Geld zum Teil wieder nach „unten“, zu den Armen, zurückbefördert wird. Die Armen können dadurch als Konsumenten weiterhin am System teilnehmen. Sie werden nicht ausgeschlossen; das System implodiert nicht. Bliebe die Nachuntenverteilung aus, würden immer mehr Menschen aus dem System herausfallen und als Konsumenten ausfallen. Sie würden zur illegalen Beschaffung ihres Lebensunterhaltes gezwungen werden, was das System teuer zu stehen bekäme. Die Wirtschaft würde zudem schrumpfen und weitere Bürger würden arbeitslos werden und aus dem System herausfallen. Am Ende würde die gesamte Wirtschaft in einem Punkt enden, in dem ein einziger Mensch alles Geld hätte, aber er könnte sich von niemandem mehr etwas kaufen, da um ihn herum nur noch Chaos herrschen würde. Das Wirtschaftssystem ist auch ein Ordnungssystem für die Bürger. Es muß allen Bürgern offenstehen.

4. Vermögenssteuer: Da die Staatsschulden identisch mit ungerechtfertigen Gewinnen der heute Reichen sind, muß über eine einzuführende Reichensteuer, bzw. Vermögenssteuer, die angelaufene Staatsschuld beglichen werden. Zinsen müssen ohnehin nicht mehr gezahlt werden, da sie im Widerspruch zur Ökonomie stehen. Ohne Abschaffung der Zinsen kann die Staatsschuld nicht beglichen werden. Eine weitere Staatsverschuldung, wie sie derzeit betrieben wird, führt zwangsläufig in den Untergang des Systems.**

5. Bürgergeld (Grundeinkommen): Da Nachfrage und Angebot aufeinander angewiesen sind und die Entwicklung der Wirtschaft (Produktivitätssteigerung) notwendig zu immer größerer Massenarbeitslosigkeit führt, ist es notwendig, Arbeit und Einkommen zu entkoppeln, indem alle Arbeitslosen, ja alle Deutschen, ein Bürgergeld bekommen, das ausreicht, die wirtschaftlich notwendige Nachfrage aufrecht zu erhalten. Kein Mensch darf aus dem System ausgeschlossen werden. Deshalb ist Bürgergeld Pflicht! Bei den Reichen sind Arbeit und Einkommen bereits entkoppelt: Bill Gates kann gar nicht so viel arbeiten, wie sein Einkommen suggeriert. Das Bürgergeld bekommt jeder Bürger. Es ersetzt Renten, Pensionen, Arbeitslosengeld und Sozialhilfen jeder Art.

Gezahlte Löhne und Gehälter werden entweder

– um den Betrag des Bürgergeldes verringert, – dann bräuchte am Steuersystem aus diesem Grund nichts geändert zu werden und die Arbeitgeber würden sich freuen, da sie geringere Löhne zahlen müssen. Allerdings müsste die Steuer ihnen das Gesparte abziehen. Oder

– zum Bürgergeld hinzuaddiert. In diesem Fall müßte die Steuer bei jenen, die das Bürgergeld eigentlich nicht brauchen, einen Betrag von Höhe des Bürgergeldes + der bisher bezahlten Steuer wieder abziehen.

Nachtrag 15.01.2015 https://www.youtube.com/watch?v=bujuEyNng30 wichtiges Video!

5.1 Lohnnebenkosten gibt es nicht mehr. Jeder Kranke wird kostenlos auf Staatskosten behandelt. Ärzte sind Beamte; Krankenhäusr straatlich. Die Vorstellung, Ärzte müssten Unternehmer sein und Krankenhäuser Konzerne, ist gerade zu lächerlich! Die sich das ausgedacht haben, sind Vollidioten!

5.2 Finanzierung: Das Bürgergeld und der gesamte „laufende“ Staatshaushalt wird aus Steuereinnahmen, und zwar aus einem Mix aus Gewinnsteuer und Vermögenssteuer finanziert. Die Politik muß in die Lage versetzt werden, den Reichen und Superreichen so viel Steuern abzuverlangen, daß das Bürgergeld gezahlt werden kann. Der Geldkreislauf muss geschlossen werden. Das sage ich um den Kapitalismus zu retten, nicht, um ihn zu zerstören! Der Steuersatz muss in etwa parallel zur exponentiellen Zinskurve verlaufen. Zinsgewinne müssen abgeschöpft werden. (Mehr in 6.)

5.3 Kündigungsschutz (31.3.10): Das Bürgergeld kann der Arbeitgeberseite, also der Regierung, auch dadurch schmackhafter gemacht werden, dass aufgrund der Sicherheit, die es dem Bürger bietet, der Kündigungsschutz gemindert werden kann. (Die Sicherheit ist ein nötiges Gut, damit jeder Bürger es wieder wagen kann, eine Familie zu gründen – Sinn in sein Leben zu bekommen und damit zur Volksgesundheit beizutragen.)

5.4 Die Höhe des Bürgergeldes soll so bemessen sein, daß ein menschenwürdiges Leben mit ihm möglich ist. Sie müßte derzeit um 1200 Euro monatlich betragen.

5.5. Gegenleistungen: Das Bürgergeld könnte wie folgt an (mehr oder weniger freiwillige) Gegenleistungen der Bezieher gekoppelt sein: Jeder Arbeitsfähige sollte sich für zwei oder drei Stunden täglich eine unbezahlte gemeinnützige Arbeit suchen. Eine kindererziehende Mutter hat bereits eine solche Arbeit. Andere Menschen mögen vielleicht täglich ein paar Stunden in einem Jugendtreff junge Leute betreuen, andere den Stadtpark pflegen, Schlaglöcher in Feldwegen ausbessern oder Abfälle und für Pelletsproduktion verwertbare Holzabfälle in Grünanlagen und im Wald einsammeln. Es gibt viel zu tun, was sonst – über den Weg eines bezahlten Jobs – nicht getan wird. Es ist ja nicht so, daß keine Arbeit da wäre; es mangelt bloß an bezahlter Arbeit.*

5.6 Kinder: Das Bürgergeld für Kinder könnte nach drei Altersstufen gestaffelt ausgezahlt werden: bis zum 10. Lebensjahr des Kindes erhalten die Eltern 50 % eines Bügergeldes; dann 100 %. Ab dem 18. Lebensjahr bekommt der Jugendliche das Geld.

6. Abschaffung der Zinsen. **

6.1 Staatsschulden: Ohne Abschaffung der Zinsen können die Staatsschulden unmöglich abgetragen werden, was den Untergang des Systems erzwingt.

6.2 Wissenschaftlichkeit der Wirtschaftstheorie: Ökonomen rechtfertigen den Kapitalismus immer damit, daß er realistisch, also kein illusorisches Phantasieprodukt, sondern etwas Natürliches sei. Die freie Wirtschaft sei eine Ausdehnung der natürlichen Evolution auf das Zusammenleben von Menschen. Eine freie Wirtschaft genieße demnach auch notwendigerweise die Zustimmung der Wissenschaft. Eine Wirtschaftstheorie sei eine wissenschaftliche Theorie, die den Prüf- und Realitätskriterien der Wissenschaft genüge. Dies trifft zu – außer für den ZINS, der deshalb (schrittweise) abzuschaffen ist!

Zins machte aus dem stabilen (zeitlosen) Tauschhandel ein Raubtier, das stärker war, als der konkurrierende Kommunismus. Doch nun ist die Beute gestellt, und nun frißt der Kapitalismus seine Kinder und rast dem Abgrund entgegen.

6.3 Geld darf nicht „arbeiten“, da es die echte Arbeit entwertet. Arbeiter und Maschinen müssen in Wahrheit das Geld für jene Gewinne erarbeiten, die angeblich das Geld selbst (zinsgünstig auf der Bank) „erwirtschaftet“.

Zinsen bedeuten die Einführung des Faktors „Zeit“ in den zeitlosen Tauschhandel. Das erzwang Lebensphilosophien, die ebenfalls der Zeitlichkeit unterstellt sind: Monistischer Materialismus! Zeitlose „Absolutheits“- und „an-sich“-Philosophien – Bewußtseinsphilosophien, Philosophien, die die Willensfreiheit und moralische Werte kennen – werden nicht mehr verstanden und werden vergessen. Um diese Behauptung zu verstehen, nehme man bitte meine philosophischen Aufsätze über die Willensfreiheitsdebatte www.hanjoheyer.de/Philosophie.html zur Kenntnis. Dort werden die Irrwege „moderner“ Denker aufgezeigt. (Zeitlos, absolut und ewig ist alles, was „an sich „, also ohne kausale Ursache ist.)

Die derzeit herrschende Illusion

a) der Berechtigung von Zinsen konnte sich halten, weil die Zinslücke bisher durch Wirtschaftswachstum – das Finden neuer Schuldner – geschlossen werden konnte

b) der Arbeitsplatzvermehrung durch Innovation konnte sich ebenfalls des Wirtschaftswachstums wegen halten. In Zeiten der Expansion fällt es nicht so auf, daß Innovationen in Wahrheit Arbeitsplätze vernichten.

c) der Zinsnahme als Risikovergütung: Im Fernsehen sagte ein Wirtschaftswissenschaftler, Zinsen seien nötig, weil es sonst für die Banken keinen Grund gäbe, Geld in innovative Produktionen zu investieren: Ein Erfinder hat eine Idee und braucht Geld, das ihm die Bank leiht, weil sie angeblich an den Erfolg des Projektes glaubt. Der Erfinder baut mit diesem Geld die Produktion auf, verdient Geld und bezahlt damit die Bankschulden zurück. Die Bank wurde für ihr Risiko belohnt.

Mein Kommentar: Alles Quatsch! Die Bank geht bestenfalls in Einzelfällen Risiken ein, aber da sie ihre Geschäfte immer im großen Stil macht, kann sie ihre Risiken statistisch auf fast Null reduzieren. Im Übrigen verleihen Banken (im Gegensatz zu Risikokapitalgesellschaften) Erfindern kein Geld. Siehe zB „Die Zeit v. 24.5.06: Gezielte Blockade“ ( http://www.zeit.de/2006/22/G-Mikrokredite_xml?page=all ). Außerdem müssen alle systemrelevanten Großbanken verstaatlicht werden. Staatsbanken verleihen Geld nicht der Zinsen wegen, sondern weil es vernünftig ist und dem Bankbeamten gesetzlich vorgeschrieben ist.

Da das Wirtschaftswachstum die negativen Effekte des Zinses und der Innovationen nicht mehr kompensieren kann, ist es jetzt an der Zeit, die Zinsen abzuschaffen und die Arbeit vom Einkommen abzukoppeln. Falls man sich diesen Reformschritt nicht zutraut, wäre es möglich, die Besteueruing den Zinsen anzupassen. Dann müsste es eine exponentielle Steuerkurve geben, die die Zinsgewinne abschöpft. Alle 30 Jahre müsste es dann eine Währungsreform geben, bei der dem Geld eine Null gestichen wird.

Die Riesengewinne der Konzerne werden für einen geheimen Wirtschaftskrieg verwendet. Dieser Krieg hat seine Ursache im Zwang, der durch das Zinssystem – Zwang zum Wachstum – entsteht.

21.6.: Heute fand ich das Buch „Das Märchen vom guten Zins“ von Klaus Popp. Aus dem Klappentext: „Der Zins macht Reiche reicher und Arme zahlreicher.“

7. Übergangsregelung: Für die Umstellung vom derzeitigen zum neuen Steuersystem müßte eine Übergangsregelung in Kraft treten, in welcher Schritt für Schritt Lohnsteuer, Zinsen, Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeiträge gesenkt und die Steuern an die Modellvorgabe angepaßt werden. Zeitgleich wird sukzessive das Bürgergeld eingeführt und Schritt für Schritt erhöht. Man könnte sich für die Umstellung genügend Zeit lassen und für sie vielleicht 10, 15 oder gar 20 Jahre veranschlagen.

Hans-Joachim Heyer, Juni 2006

* http://www.nachdenkseiten.de/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=8&idart=44 Fehlt für jene, deren Arbeitsplatz wegrationalisiert wird, zwangsläufig jede Beschäftigungsalternative? Wer so denkt, unterstellt, es gebe nichts mehr zu tun, unsere Bedürfnisse seien befriedigt. Zunächst ist daran zu erinnern, dass sich Automaten, Roboter und Computer immer noch nicht selbst produzieren. Auch die Fertigungs-Automaten bei BMW müssen konstruiert, produziert und gewartet werden. Und breite Bevölkerungsschichten haben einen durchaus berechtigten Bedarf. Zum Beispiel an besseren und ruhigeren Wohnungen, an einer besseren Ausbildung ihrer Kinder. Viele Familien mit Kindern müssen scharf kalkulieren; sie schränken sich ein, beim Essen , bei der Kleidung; ein hoher Prozentsatz verzichtet noch immer auf die Ferien, auf das in der meinungsführenden Schicht übliche abendliche Ausgehen sowieso. Es ist eine für die gehobene Mittelschicht typische Unterstellung, von den breiten Massen anzunehmen, ihr Bedarf sei gedeckt. Doch es gibt auch jenseits des Konsums Bedürfnisse. Wie wenige Beispiele zeigen: Für die Infrastruktur vieler unserer Städte wird nur das Notwendigste getan, Schwimmbäder werden geschlossen; die Klassenstärken in den Schulen werden größer statt kleiner; die Bäche am Oberlauf des Rheins müssten renaturiert werden, wenn man Bonn und Köln vor weiteren Überschwemmungen schützen wollte – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Arbeit geht wirklich nicht aus.

12.3.2010: Es geht die Mär um in diesem Land, wir können uns das Bürgergeld nicht leisten und die Hartz-IV-Bezieher seien Schmarotzer. Wahr aber ist, wir können uns diese Superreichen nicht mehr leisten. Sie sind die Schmarotzer und sitzen auf ihren Geldsäcken, während das Land austrocknet.

30.04.2015: Warum ist es unmöglich, vernünftige Wirtschaftstheorien durchzusetzen und warum wird an einer völlig falschen, zerstörerischen Theorie weiter angehangen? – Weil die Superreichen durch dieses System so reich geworden sind und alles tun, um es zu erhalten, bis zum sicheren Untergang, bis zum sicheren Krieg! Bis der Schmarotzer sein Wirtstier umgebracht hat. Bisher konnten sich die Reichen ihre Familien ja immer aus Kriegen heraushalten, aber bei einem Atomkrieg geht das glücklicherweise nicht.

** Es gibt gute Argumente für die Beibehaltung des Zinses. Einverstanden. Dann aber brauchen wir eine Besteuerung, die die gesellschafts- und wirtschaftszerstörerischen Folgen jener exponentiellen Vermögenszuwächse durch die Zinsen neutralisiert – eine exponentielle Steuerkurve.


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