Hans-Joachim Heyer

Wirtschaft 4

21.9.2008: Suche nach der „besten aller Welten“ im ZEIT-Forum.

Mein Beitrag: http://kommentare.zeit.de/user/klausbergerhausen/beitrag/2008/09/16/die-beste-aller-welten-1-ansinnen#comment-198918

(Version vom 23.9.08)

Hier meine Idee von der besten aller Welten auszubreiten, ist allein aus Platzgründen nicht möglich. Möglich aber ist, die größten Übel unserer Welt und erste Schritte zur Behebung dieser Übel aufzuzeigen.

Das größte Übel ist die mangelnde Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat, bzw. Staatenbündnisse wie die EU und die UNO. Wir erleben derzeit, dass eine ungezügelte freie Wirtschaft nicht funktioniert. Das Kapital kumuliert; es sammelt sich am Schluss sozusagen in einer einzigen Hand, und immer mehr Menschen fallen aus dem System des Kapitalismusses heraus. Die Armen können am System nicht mehr teilnehmen. Der Kapitalismus implodiert!
Um ihn zu retten – und die Welt zu verbessern – muss die Kapitalkumulation beendet werden, und zwar, indem die Gelder, die sich bei den Reichen und Superreichen sammeln, per Staatsmacht zum Teil wieder nach unten zu den Armen hin transferiert werden, damit diese aus dem System nicht ausgeschlossen werden. Alle Menschen haben das Recht, im System zu bleiben.
Der Geldstrom wird dadurch zu einem Kreislauf „umgebogen“. Erst wenn das Geld zirkuliert, ist das System stabil. Dass es ohne diesen sozialen Aspekt (Schließung des Geldkreislaufs) nicht geht, sehen wir an der jüngsten Bankenkrise, wo bankrotte Banken plötzlich zum Sozialfall werden und sich zB in den USA ihre 700000000000 Dollar – Stütze vom Staat abholen.

Das zweitgrößte Übel ist die fehlende, oder zumindest mangelhafte Besteuerung von Spekulationsgewinnen. Die Gewinne der Heuschrecken müssen derart abgeschöpft werden, dass es sich nicht mehr lohnt, Geld „arbeiten“ zu lassen. Geld arbeitet nämlich nicht! Geld „arbeiten“ zu lassen, entwertet bloß die echte Arbeit. Ein Wirtschaftsmodell, in dem Geld „arbeitet“, ist wissenschaftlich nicht haltbar; es ist unvernünftig. Deshalb darf es keine Guthabenzinsen geben! Bei Schuldzinsen sieht die Sache etwas anders aus; sie müssen allerdings an Güter gekoppelt bleiben, d.h. eine Bank, die einem Unternehmer Geld leiht, bekommt es zurück incl. eines Anteil am Unternehmen, für den der Unternehmer dann ein Vorkaufsrecht erhält, das er in Anspruch nehmen kann, wenn er Gewinne macht.

Meine Forderung zur Errichtung einer besseren Welt:
1. Das Geld der Superreichen abschöpfen und nach unten verteilen, zB über bedingungsloses Grundeinkommen. Dazu ist Staatsmacht nötig.
2. Abschaffung von Guthabenzinsen und Besteuerung von Spekulationsgewinnen..
3. Stärkung überstaatlicher Organisationen, zB der UNO. Sie muss den globalen Kapitalismus kontrollieren.

Kritik:

Ich bekam eine Email des Inhalts, das die Idee, Zinsen zu verbieten, undurchführbar sei, da die Banken dann keinen Anreiz hätten, einem Unternehmen einen Kredit zu gewähren. Der Zins sei der Motor des Fortschritts usw.. (23.9.: Ich habe deshalb die Idee mit den Guthabenzinsen eingeführt. -)

Meine Antwort:

Ich denke, dass die Banken durchaus ein Interesse haben, einem Unternehmer einen Kredit zu gewähren. Nur bekommt der Bänker keine Zinsen, sondern Aktien und/oder Gewinnoptionen als Gegenleistung. Er bekomt also seinen Einsatz zurück – und zusätzlich Besitz- und/oder Gewinnanteile an der mitfinanzierten Firma. Diese Anteile kann er an das Unternehmen zurückverkaufen (man könnte dem Unternehmen ein Vorkaufsrecht einräumen) oder er spekuliert mit den Aktien und macht dabei einen Gewinn, den er allerdings versteuern muss.

Das müsste doch gehen oder?

22.9.2008: Erläuterung: Zinsen haben den Nachteil, dass sie langfristig nicht funktionen können und das System zwingend in den Untergang führen. Wie in „Kapitalismus“ erklärt, können Zinsen nur zurückgezahlt werden, wenn der Schuldner es schafft, neue Schuldner aufzutreiben. Das ist in einer begrenzten Welt nur begrenzt möglich. Das System kollabiert, wenn es nicht mehr gelingt, neue Schuldner zu finden. Betrachtet man den globalen Kapitalismus als eine einzige Firma, wird der Mechanismus des Geldes klar: Ein Unternehmer gründet eine Firma, die Weltfirma, und bezahlt mit Schuldscheinen, dem Geld. Jetzt geht die Firma in Produktion, stellt Güter her und verkauft sie. Er kann maximal so viel Geld einnehmen, wie er vorher unter die Leute gebracht hat. Was er nicht zurückbekommen kann, sind die Zinsen, die sich in der Zeit zwischen Beginn der Verschuldung und dem Verkauf seiner Produkte angehäuft haben. Er kann das Geld zum Begleichen der Zinsschuld nur dann bekommen, wenn sich ein neuer Schuldner findet. Global gesehen wächst aufgrund des Guthabenzinses die gesamte Schuldenmenge exponential an. Irgendwann nähert sich die Kurve des Schuldenanstiegs der Senkrechten – und das System bricht zusammen.

Zwei Lösungen bieten sich an: Die erste wäre, den Guthabenzins abzuschaffen. Wenn ein Unternehmer eine Firma gründet und Schulden macht, gibt es eine Geldvermehrung. Eine Bank hat ein Interesse, an dieser Geldvermehrung beteiligt zu sein. Glauben die Banker, dass das Unternehmen florieren wird, bezahlt die Bank zB die „Hardware“ des Unternehmens. Da dieses Geld neu geschaffen wurde, wird genau dieser Preis in Gestalt von Geldscheinen neu gedruckt. Das ist echte Geld- und Wertschöpfung. Das Unternehmen bekommt das Geld, bezahlt seine Schulden, produziert Güter, verkauft sie, und wenn das Produkt begehrt ist, macht die Firma Gewinn – natürlich auf Kosten anderer Unternehmen, die diesen Gewinn als Verlust verbuchen müssen. Die Verliererfirmen müssen nun Besitzanteile an die Bank abtreten, um die Restschulden zu begleichen oder müssen neue Produkte erfinden, in die die Banken Hoffnung setzen. Es wäre sinnvoll, dass die Banken in Staatsbesitz sind.

Die zweite Lösung ist der Staatsbankrott. Der Staat kurbelt die Wirtschaft an, indem er die Rolle des Neuverschuldners übernimmt. Da die Staatsschulden nicht rückzahlbar sind, muss er in regelmäßigen Zyklen, Marx berechnete als Dauer eines Zyklus‘ von etwa 60 Jahren, den Staatsbankrott mit den bekannten Folgen wie Chaos, (Bürger)-Krieg und Gründung eines neuen Staates, erklären.

Kritik von M..

Hallo Hans Joachim

„Ich denke, dass die Banken durchaus ein Interesse haben, einem Unternehmer einen Kredit zu gewähren. Nur bekommt der Bänker keine Zinsen, sondern Aktien und/oder Gewinnoptionen als Gegenleistung. Er bekomt also seinen Einsatz zurück – und zusätzlich Besitz- und/oder Gewinnanteile an der mitfinanzierten Firma. Diese Anteile kann er an das Unternehmen zurückverkaufen (man könnte dem Unternehmen ein Vorkaufsrecht einräumen) oder er spekuliert mit den Aktien und macht dabei einen Gewinn, den er allerdings versteuern muss.“

ich habe ein paar Gedanken zu deiner Frage gemacht, laienhaft versteht sich. Nun du fragst, ob dein Modell funktioniert? Und „funktionieren“ tut das schon. Das sieht mir doch ganz nach shariakonformer Finanzpolitik aus. Sowas gibt es schon. Statt Zins, kaufst du Anteile des Unternehmens, und wirst an den Gewinnen beteiligt. So machen das islamische Banken schon immer. Aber ich habe mich da nach dem Unterschied gefragt. Im Wesen ist das doch ein dem Zins vergleichbares System und verhindert das Problem des Zinses doch gar nicht. Ob ich sage, ich bekomm was von dem Gewinn ab, oder sage, du zahlst mir von deinem voraussichtlichen Gewinn einen Zins, macht da doch erstmal bezüglich unseres Problems keinen wesentlichen Unterschied. Denn: Der Investor erhält „nur“ aufgrund seiner Investition einen Kapitalgewinn. Sein Vermögen vermehrt sich, nur weil er es verleiht, und er nicht arbeitet. Sprich die Reichen ( Leute , die genügend Vermögen angehäuft haben, um von von dessen Reinvestition zu leben) immer reicher werden. Das Grundproblem von Entkoppelung von Kapital und Arbeit haben wir hier auch . Eine Kapitalkonzentration gibt es in deinem Modell genauso. Ich würde sogar behaupten es verhält sich ziemlich zinsähnlich.

„Erläuterung: Zinsen haben den Nachteil, dass sie langfristig nicht funktionen können und das System zwingend in den Untergang führen. Wie in „Kapitalismus“ erklärt, können Zinsen nur zurückgezahlt werden, wenn der Schuldner es schafft, neue Schuldner aufzutreiben. Das ist in einer begrenzten Welt nur begrenzt möglich. Das System kollabiert, wenn es nicht mehr gelingt, neue Schuldner zu finden. Betrachtet man den globalen Kapitalismus als eine einzige Firma, wird der Mechanismus des Geldes klar: Ein Unternehmer gründet eine Firma, die Weltfirma, und bezahlt mit Schuldscheinen, dem Geld. „

Hm, also das Modell dieses Martin, was du in „Kapitalismus beschreibst, leuchtet mir nicht ein. Wenn ich mir Geld leihe, um ein Unternehmen zu machen, dann sollte am Ende des Unternehmens doch zumindest ein Mehrwert da sein, als vorher. Sonst hätte die Arbeit sich ja auch nocht gelohnt. Aus dem Subtraktion von Gewinn und Zins bleibt dann der Restgewinn übrig. Natürlich darf der Zins den Gewinn nicht auffressen sondern nur einen Teil dessen ausmachen. Wenn ich ein Haus baue, ist der Mehrwert den ich habe ein bewohnbares Haus. So ich habe mir 100.000 Euro geliehen, um das zu bauen, muss 130.000 euro zurückzahlen an die Bank, wegen Zinsen, aber ich nehme im Laufe der nächsten Zehn Jahre 500.000 an Mieteinnahmen ein. Wo wurden da Schulden geschaffen, die weitergerreicht werden müssen? Das leuchtet mir überhaupt nicht ein. Wenn ich nen Kuchen backe, und mir jemand dafür Eier leiht, gehört es dann nicht zum guten Ton, ihm für den Verzicht seiner Eier ein Stückchen des gebackenen Kuchens abzugeben? Also das müsstest du mir mal ganz genau erklären, das verstehe ich nämlich so wie du es geschrieben hast nicht. Dein Modell, so wie ich es verstehe müsste ja von einer enormen Wertvernichtung , bzw. künstlichen Werterzeugung ausgehen, wie es bei der aktuellen Finanzkrise passiert ist. Dort wurden Schulden gemacht und einfach zum Gewinn weiterverkauft, bis das System kollabiert ist. Das hat aber mit dem Zins erstmal nix zu tun, sondern ist ein grundsätzliches Spekulationsproblem.

Irgendwie traue ich dieser Zinskritik nicht. Wir hatten in der letzten Mail festgestellt. Das Hauptproblem des Zinses ist die Kapitalkonzentration in den Händen weniger, weil das Kapital sich aber eine bestimmten Menge selbst vermehrt. Durch Leihe vergrößere ich mein Einkommen, was aber mein Kapital von meiner Arbeit entkoppelt. So wie oben beschrieben, ändert sich an dieser Situation in deinem Modell soweit ich das sehe gar nichts. Das heisst das Problem der Kapitalkonzentration wird nicht gelöst. Bisher sehe ich da nur die Möglichkeit den Zins abzuschaffen, was aber den Verlust des Verleihsanreizes zur Folge hat automatisch. Der Rückfall in eine fortschrittslose Tauschwirtschaft.

Eine ganz andere Idee, die den Zins gar nicht berührt, und die Umverteilung des Geldes in einen Zyklus trotzdem umbiegt, und Kapitalkonzentration verhindert. Eine entsprechend gestaltete Vermögens und Erbschaftssteuer. Vermögenssteuer um das Phänomen der Superreichen, die mehr Kapital als 10 ihrer Lebensspannen verbrauchen können, verhindert, Erbschaftssteuer, um Geldadel zu verhindern, dass Leute sich über Generationen eine ganze Geldadelsdynastie aufbauen könnten. Trifft das eigentlich nicht viel mehr das Problem, und lässt das Problem des Verleihgewinns, ob durch Zins oder anderswie unberührt? Ich glaube, dass auf diese Weise das Problem gar nicht beim Zins liegt, aber trotzdem eine Umverteilung der Superreichen Kapitalkonzentration nach unten erfolgt, indem man diese nämlich einfach besteuert, ab einer entsprechend hohen Vermögensgrenze.

Ob der Zins unmoralisch ist, ist eine Betrachtungsweise. Ich halte es nicht für unmoralisch, für den Vermögensverzicht, den ich durch den Verleih hinnehme, und des entsprechenden Verlustrisikos, dass ich auf mich nehme, eine Profit zu bekommen. Kann man das nicht auch so sehen?

27.9.2008: Antwort:

Hallo M.,

das von Paul C. Martin erläuterte Problem der Zinslücke ist m.E. real. Verstehen kann man das nur, wenn man sich das kap. System vereinfacht vorstellt: als ein einziges Unternehmen. Das Geld sind Schuldscheine. Geld entsteht, indem jemand Schulden macht. Wenn ich eine Fabrik gründe, muss ich sie vorfinanzieren. Ich mache Schulden – und gebe die Schuldscheine an jene, die mir beim Fabrikbau geholfen haben. Jene, das sind die späteren Käufer meiner Waren. Irgendwann habe ich meine Produkte, die ich verkaufe. Aber es ist ja nur das Geld da, das ich vorher selbst in den Umlauf gebracht habe. Also kann ich nicht mehr Geld zurückbekommen, als ich vorher ausgegeben habe. Woher soll ich nun das Geld für die Zinsen und den Gewinn bekommen? Ich bekomme es nur dann, wenn die Käufer mehr ausgeben, als ich ihnen vorher bezahlt habe. Das geht nur, indem sie sich ihrerseits verschulden. Den Gewinnen stehen also immer neue Schulden irgendwoanders gegenüber. Dieses Spiel läuft solange, bis sich keine neuen Schuldner mehr finden lassen. Als das Problem akut wurde, empfahl Keynes die Staatsverschuldung. Nun sind wir allerdings so weit, dass der Staat an den Zinsen für seine Schulden zugrundegeht. Das System kommt an ihr natürliches Ende. Es droht der Staatsbankrott.

Die Staatsschulden sind also auf der anderen Seite die Gewinne der Unternehmer.
Was ich nun suche, ist eine Wirtschaftsordnung, die diesen Fehler nicht aufweist.
Meine Überlegungen gehen nun dahin, dass es dieses Schuldenmachen und Zinsenzahlen eigentlich nicht geben dürfte, weil es in der Natur auch keine Schulden gibt. Man kann eine Fabrik nur bauen, wenn das Material und die Arbeitskraft und das Knowhow tatsächlich existieren.

Also noch mal von vorne: Ich will eine Firma gründen und heuere Leute an, die mir beim Bau helfen, bis die Prdukte endlich da sind und verkauft werden können. die Leute werden mir allerdings nur helfen, wenn ich ihnen verspreche, dass sie am erwarteten Gewinn beteiligt werden.
Nehmen wir an, ich habe eine Mio Schulden für die Fabrik, zusätzlich 50.00 Euro für Zinsen, und erwarte 100.000 Euro Gewinn. Schließlich habe ich einen Mehrwert fabriziert. Wo kriegen die Kunden die 150.000 Euro her? Die einfachste Idee wäre, der Staat würde die 150.000 Euro drucken und unters Volk verteilen.

Vielleicht gelingt es uns, die Sache intelligent weiterzudenken. Ich komme hier an meine Grenzen….

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